Der Mann, der's wert ist
geschlossenen optischen Eindruck und sind außerdem
das billigste Accessoire, das es gibt. Nach langer Überlegung entschied ich,
unter der Jacke nicht das schwarze Top mit dem dramatischen Spitzeneinsatz zu
tragen, sondern das mit dem total schlichten Ausschnitt. Und statt meiner zu
eleganten Wildlederstöckel schwarze, flache Ballerinas. Das war der lässige
Look, der zu einer Pool-Party paßte und trotzdem profimäßig und gut aussah.
Aber niemand würde mir unterstellen können, ich hätte mich aufgebrezelt, um
Angela auszustechen.
Und dann: Ich hatte Angela
schon ausgestochen, als wir das Haus verließen! Nora sagte zum Abschied zu
Benedikt: »Wenn die Tochter deines Chefs jetzt Geburtstag hat, dann ist sie
eine Waage. Ich erinnere mich genau, deine alte Flamme, die Tochter des
Bürgermeisters war auch eine Waage.«
Ehe Benedikt etwas antworten
konnte, spielte ich lächelnd meinen neuesten Trumpf aus: »Übrigens, wußtest du,
daß Prinz Rainier, der Mann von Gracia von Monaco, Zwilling ist - genau wie
ich?«
11. Kapitel
Als ich Angela sah, wußte ich
vor Überraschung nicht, was ich denken sollte: Sie war nicht mehr blond, sie
war rothaarig! Sie trug ein weißes Satinkleid, seitlich bis zum Oberschenkel
geschlitzt. Es war so eng, daß es über dem Bauch spannte und Zweifel aufkommen
ließ, ob Angela einen Slip trug. Vorn ein spitzer Ausschnitt bis zur Taille,
der keinen Zweifel ließ: Sie trug keinen BH. Und trotzdem ein so beachtlicher
Busen! Am Hals wie ein Stehkragen eine vierreihige Perlenkette, vorn ein
pompöser, mit Brillis besetzter Verschluß aus Weißgold — oder sogar Platin? Zu
allem Überfluß dazu eine gedrechselte Goldkette mit einem Kreuz-Anhänger, der
im Busenspalt herumschlenkerte. Und tatsächlich: pro Finger ein bis drei Ringe!
Sie war braun wie eine Bratwurst, und ihr weißer Lidschatten wirkte wie
Clown-Makeup. Ihre Haare waren zurückgekämmt zu einem Zopf, der oben auf dem
Kopf begann, seitlich waren die Haare nach einem komplizierten System
eingeflochten — so eine Frisur, die kein Mensch ohne Friseur hinkriegt. Und
dazu eine weiße Stoff-Dahlie im Haar!
Sie sah aus, als ginge sie zum
Opernball. Ich sah aus, als käme ich vom Campingplatz. Sie hatte mich
reingelegt.
»Hey, Herr Windrich«, begrüßte
sie Benedikt und pickte ein unsichtbares Haar von seiner Pilotenjacke.
Zu mir sagte sie: »Hallöchen,
du bist aber alt geworden!« Dann kicherte sie: »Das mein ich natürlich nicht
ernst.«
Ich sagte nur: »Und du bist so
elegant geworden.« Ich sagte nicht, daß ich das nicht ernst meinte.
Sie lächelte geschmeichelt,
nahm mein Geschenk in Empfang, ohne die mühevolle Verpackung zu würdigen, und
zog Benedikt am Arm mit sich weg: »Herr Windrich, komm sofort mit, mein Freund
Schmitt will Sie kennenlernen.« Sie zog ihn zu einem Typen mit offenem Hemd und
Goldkette, der an einer Tür lehnte. Der Typ verwickelte ihn sofort in ein
Fachgesimpel.
Ich stand allein im Flur. »Wo
ist Onkel Georg?« fragte ich Angela, die mir ihren taillentiefen
Rückenausschnitt zugekehrt hatte, den endgültigen Beweis, daß sie keinen BH
trug.
Über die Schulter hauchte sie: »Daddy
ist an der Champagnerbar, am Pool.«
»Danke, ich kenne den Weg zum
Pool«, sagte ich, obwohl niemand zuhörte.
Onkel Georg stand mit Bierglas
am Pool. Bei ihm fühlte ich mich richtig: Er trug ein graues Polohemd und
Jeans. Und er begrüßte mich herzlich und ausführlich. Ich erzählte, daß ich
fleißig am Renovieren bin, aber damit fertig sei, wenn ich bei ihm anfangen
würde. Onkel Georg fand das gut. Er stellte mich auch gleich einer
Mittvierzigerin vor, einer seiner heimarbeitenden technischen Zeichnerinnen,
und dann Herrn Wöltje und Frau.
Herr Wöltje ist relativ klein,
drahtig, dunkelhaarig, mit jung-dynamischem Gesicht, nur die wasserstoffblonde
Strähne machte einen stutzig, zwang, über sein Alter nachzudenken, und dann
schätzte man ihn auf mindestens Mitte Vierzig. Frau Wöltje ist schlank, schick,
braungebrannt, hat aber auf der Stirn einige tiefe Längsfalten, wie sie Frauen
häufig haben, die ihr Leben lang schlank, schick, braungebrannt sind. Insgesamt
wirkte Frau Wöltje, als sei sie entschlossen, auch die aktuelle
Familienkatastrophe ohne Face-Lifting zu meistern. Und eigentlich sahen die
Wöltjes aus wie ein gutes Ehepaar. Warum nur betrog er sie mit einer
Achtzehnjährigen?
Tante Susi fand ich natürlich
in der Küche. Obwohl sie in diesem Bungalow mit beheiztem Swimmingpool,
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