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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sehr freuen würden, wenn ich am Nachmittag zum Tee kommen würde.
    So machte ich mich also nach dem Lunch auf den Weg; die Fahrt dauerte nur eine halbe Stunde und war überwältigend schön. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Kapstadt auf einer Halbinsel liegt, und war daher sehr überrascht, das Meer auf der anderen Seite plötzlich wiederzuentdecken. Nach einigen Schwierigkeiten fand ich die Villa Medgee. Ich klingelte. Ein lächelnder Kaffernboy öffnete mir die Tür.
    «Ist Mrs Raffini da?», fragte ich.
    Er grinste, führte mich durch einen Korridor und hielt einladend eine Tür auf. Auf der Schwelle zögerte ich – plötzlich hatte ich das Gefühl einer nahenden Gefahr. Doch ich trat ein, und die Tür flog hinter mir zu.
    Ein Mann erhob sich aus einem Sessel und kam mir mit ausgestreckten Händen entgegen.
    «Ich freue mich sehr, dass Sie uns besuchen, Miss Beddingfeld», sagte er.
    Er war groß und hatte einen flammendroten Bart; damit sah er aus wie ein Holländer, aber keineswegs wie der Kurator eines Museums. Wie ein Blitz durchzuckte mich die Gewissheit, dass ich eine Dummheit begangen hatte.
    Ich befand mich in der Gewalt des Feindes.

19
     
    Alles, was mir Rayburn am Morgen gesagt hatte, schoss mir durch den Kopf. «Sagen Sie einfach die volle Wahrheit», hatte er gedrängt. Schön, das konnte ich tun, aber würde es mir helfen? Würde man meiner Geschichte überhaupt Glauben schenken? Diese spontane Reise in einen fremden Erdteil, geleitet einzig von einem lächerlichen Fetzen Papier, der nach Mottenkugeln roch! In diesem Moment verwünschte ich meine Abenteuerlust und sehnte mich nach der friedlichen Langeweile meines Dorfs.
    Instinktiv trat ich einen Schritt zurück, um nach dem Türgriff zu tasten. Mein Gegner grinste höhnisch.
    «Hier sind Sie – und hier bleiben Sie!»
    Ich bemühte mich um eine ruhige Stimme. «Der Kurator des Museums von Kapstadt hat mich eingeladen. Falls da ein Irrtum vorliegt…»
    «Ein Irrtum? O ja, ein sehr großer Irrtum!»
    «Was für ein Recht haben Sie, mich hier zurückzuhalten? Ich werde mich an die Polizei wenden…»
    «Oh, tatsächlich?»
    «Meine Freunde wissen genau, wo ich hingegangen bin, und wenn ich nicht rechtzeitig zurückkehre, wird man mich hier suchen.»
    «Was Sie nicht sagen! Ihre Freunde wissen also, wo Sie sind? Welche Freunde denn, wenn ich fragen darf?»
    Ich überlegte hastig. Konnte ich es wagen, Sir Eustace zu erwähnen? Er war ein sehr bekannter Mann, und sein Name hatte Gewicht. Wenn die Leute aber mit Pagett in Verbindung standen, würden sie meine Lüge erkennen. Nein, ich konnte es nicht riskieren.
    «Zum Beispiel Mrs Blair, mit der ich im Hotel wohne», erwiderte ich leichthin.
    «Das glaube ich Ihnen nicht», sagte mein Gegner. «Sie haben Mrs Blair seit heute Vormittag um elf nicht mehr gesehen. Und mein Briefchen haben Sie erst kurz vor dem Lunch erhalten.»
    Seine Worte bewiesen, wie genau man jeden meiner Schritte beobachtet hatte. Aber ich war nicht gewillt, den Kampf so rasch aufzugeben.
    «Sie sind nicht ganz so schlau, wie Sie glauben», entgegnete ich spöttisch. «Haben Sie noch nie von der sehr nützlichen Einrichtung des Telefons gehört? Mrs Blair rief mich nach dem Lunch in meinem Zimmer an, und natürlich habe ich bei dieser Gelegenheit gesagt, wo ich hingehe.»
    Zu meiner großen Erleichterung sah ich, dass ein Schatten der Unsicherheit über sein Gesicht flog.
    «Genug geredet!», sagte er barsch und erhob sich. «Sie kommen jetzt an einen Ort, wo Sie kein Unheil anrichten können, falls Ihre Freunde Sie hier suchen sollten.»
    Mir lief es kalt über den Rücken, doch seine nächsten Worte beruhigten mich.
    «Morgen werden Sie ein paar Fragen zu beantworten haben, und dann wird sich zeigen, was mit Ihnen weiter geschieht. Ich kann Ihnen versichern, junge Dame, dass wir über mehr als ein Mittel verfügen, um kleine Närrinnen zum Sprechen zu bringen.»
    Das klang nicht ermutigend, aber es war wenigstens ein Aufschub. Offensichtlich war der Mann nur ein Untergebener, der die Befehle seines Meisters abwarten musste. Konnte es sein, dass dieser Meister Pagett war?
    Er klatschte in die Hände, und zwei Kaffern erschienen. Trotz meines heftigen Sträubens schleppten sie mich die Treppe hinauf und in eine Dachkammer. Dort knebelten sie mich und banden mir Hände und Füße zusammen. Der Holländer machte eine höhnische Verbeugung und schloss die Tür hinter sich.
    Ich war vollkommen hilflos. Wie ich mich auch wand und

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