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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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ihm sein musst, damit du deinen Job behältst.«
    »Das stimmt so nicht. Wenn einer die meiste Zeit anderer Meinung ist als er, würde der ihm einfach nichts nützen.«
    »Aber sehr wohl, wenn du recht hättest und er unrecht – wenn das der Fall wäre, könntest du ihm verdammt nützlich sein, wenn du anderer Meinung bist. Daran besteht gar kein Zweifel: Entweder du denkst, er würde dich feuern, weil du anderer Meinung bist als er, selbst wenn du recht hast, oder du bist dir nicht sicher, ob du recht hast. Entweder du hast kein Vertrauen in ihn oder keines in dich. Welches also?«
    »Sei nicht so selbstgerecht«, sagte Tom. »Wenn du’s wirklich wissen willst, ich bin mir weder seiner noch meiner so verdammt sicher. Im Grunde weiß ich gar nicht, ob die Rede das leistet, was er sich davon erhofft – vielleicht finden die ganzen cleveren Werbejungs sie ja großartig, vielleicht will er genau das. Ich weiß nicht, wie er einen findet, der anderer Meinung ist als er. Es ist doch so, man geht ein großes Risiko ein, wenn man das rausfinden will.«
    »Und du willst kein Risiko eingehen.«
    »Du redest wie die typische Amerikanerin«, sagte Tom empört. »Du willst beides haben. ›Geh nicht auf Nummer sicher‹, sagst du, ›und können wir morgen einen neuen Wagen haben?‹«
    »Und du kannst dir nicht vorstellen, dass du ehrlich bist und dafür eine Gehaltserhöhung kriegst.«
    »Meine Pfadfinderzeiten sind vorbei«, beharrte Tom.
    »Und dann gehst du also morgen da hin und lügst den Mann an, wenn du glaubst, dass er das will.«
    »Allerdings, verdammt.«
    »Wie lange wird es dauern, bis du beschließt, dass es nicht nötig ist, mir die Wahrheit zu sagen?«
    Die Wahrheit, dachte Tom. Die Wahrheit worüber? Die Wahrheit über Maria? Sollen wir uns jetzt alle zusammensetzen und einander die Wahrheit sagen? Plötzlich wurde er ungeheuer wütend. »Du hast bisher ein einfaches Leben gehabt, Betsy«, sagte er sehr leise. »Du bist den ganzen Tag hier, kümmerst dich um die Kinder und genießt deine moralische Empörung, während ich tagtäglich in die Stadt fahre und mich mit Leuten wie Hopkins herumschlage. Aber halte mir keine Vorträge. Die Wahrheit ist, ich mache das Beste aus der Welt, wie ich sie sehe.«
    » Geh doch zum Teufel «, sagte Betsy heftig.
    »Danke«, antwortete Tom. »Ist das dein letzter moralischer Rat?«
    Betsy antwortete nicht. Das ganze Abendessen hindurch war sie bleich und still. Nachdem sie die Kinder zu Bett gebracht hatte, sagte Tom zu ihr: »Haben wir denn nicht eine ganze Menge aus nichts gemacht?«
    »Wahrscheinlich schon«, sagte sie. »Wenn du nichts dagegen hast, lege ich mich jetzt schlafen. Und wenn du morgen zu Hopkins gehst, solltest auch du ausgeschlafen sein.«

27
    Saul Bernstein betrat die First National Bank, das größte Gebäude in South Bay. Als Junge war ihm »die Bank« als fürchterliches Ungeheuer erschienen, denn er hatte oft gehört, wie seine Eltern sich darüber sorgten, ob sie ihnen ihr Geschäft wegnehmen werde, als wäre sie ein Riese, der das Haus aus seinen Fundamenten reißen könnte, aber nun saß er seit zwei Jahren in ihrem Vorstand, und er betrachtete sie als nichts anderes als eine ziemlich müde Gruppe Männer, die versuchten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Er ging nach hinten durch, öffnete dort in einer niedrigen Trennwand eine Tür und trat an den Schreibtisch Walter Johnsons, des Direktors. »Guten Morgen, Walt«, sagte er. »Ich hätte gern den Kontostand von zwei Männern: ein Mr Thomas R. Rath und ein Mr Edward F. Schultz.«
    »Einen Moment«, sagte Johnson und nahm den Hörer ab. Bernstein setzte sich. Am Morgen hatte er von Edward Schultz per Post eine Fotokopie eines Dokuments erhalten, das auf persönlichem Briefpapier von Mrs Florence Rath geschrieben war. »Bestätigung«, lautete das Dokument. »Für seine Dienste während meinem restlichen Leben und anstelle eines regelmäßigen Lohns dafür von diesem Tage an vermache ich hiermit meinen gesamten Besitz, einschließlich meines Hauses und Landes, Mr Edward F. Schultz, der mir über dreißig Jahre treu gedient hat.« Das war getippt, dazu das Datum vom 10. Juni 1953. Es folgte Florence Raths Unterschrift, mit zitternder Hand geschrieben.
    Bernstein hatte das geprüft und sich dann noch einmal das lange, sorgfältig formulierte Testament angesehen, das Sims ihm geschickt hatte, ein Dokument, das das Datum vom 18. Januar 1948 trug. Edwards Dokument war kein rechtsgültiges Testament

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