Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
unangenehme Wahrheiten aufblitzen sah. Was waren die Fakten bezüglich seines Vaters? Tom hatte sie sich aus Belanglosigkeiten zusammenpuzzeln müssen. »Warum, weiß ich nicht, aber nach dem Krieg hat Stephen nie mehr Mandoline gespielt«, hatte die alte Dame ihm einmal vor langer Zeit gesagt. »Am College war er im Mandolinenclub, und sogar schon als Junge spielte er schön, aber nach dem Krieg hat er nie mehr gespielt.«
Sein Vater war im Ersten Weltkrieg Leutnant gewesen. Mehrere Wochen vor dem Waffenstillstand war er aus ungeklärten Gründen aus Frankreich nach Hause geschickt worden und hatte dann eine Zeitlang bei einer großen Investmentfirma in New York gearbeitet. Soweit Tom den schwachen Echos der Gerüchte, die überdauert hatten, entnehmen konnte, hatte Stephen Rath ungefähr zwei Jahre vor seinem Tod entweder gekündigt oder war gefeuert worden und hatte während seiner verbleibenden Zeit einfach ein Leben in Muße mit seiner Frau, seiner Mutter und seinem Sohn in dem großen Haus verbracht. Vermutlich war er nicht glücklich gewesen, er hatte nie mehr Mandoline gespielt. Tom vermutete, dass es eine ziemlich lange Kette von Ereignissen gegeben haben musste, die zu dem Abend führte, an dem Stephen mit seinem Packard rückwärts aus dem Kutschenhaus fuhr und die Straße zu den wartenden Felsen in der Kurve hinunterraste. Aber aus den Erzählungen seiner Großmutter konnte Tom über das alles nichts erfahren. Der alten Dame zufolge war Tom ein großer Kriegsheld gewesen, und im Lauf der Jahre hatte sie ihn entsprechend ihrer eigenen automatischen Beförderungsgesetze in den Dienstgrad eines Majors erhoben.
»Wie ich höre, kommst du in der Stiftung sehr gut voran«, sagte die alte Dame.
»Ich glaube, ich verlasse die Stiftung vielleicht, Großmutter«, sagte er. »Darüber wollte ich auch mit dir sprechen.«
»Verlassen? Warum denn?«
Wie schwierig es doch war, einer alten Dame, die in ihrem ganzen Leben noch keinen Penny selbst verdient hatte und die es nicht einmal der Mühe wert fand, das Ererbte zu bewahren, zu erklären, dass er mehr Geld brauchte! Er sagte: »Ich habe vielleicht ein Angebot, das zu gut ist, um es abzulehnen.«
»Ich habe erst neulich Mrs Gliden erzählt, wie gut du dich in der Stiftung machst«, sagte die alte Dame. »Ich habe ihr gesagt, es dauert vielleicht nicht mehr lange, dann macht man dich zum Direktor. Ich habe gehört, dass dieser Haver vielleicht bald geht.«
»Wo hast du das gehört?«
»Das weiß ich nicht mehr«, sagte die alte Dame. »Es ist so ein Gerücht …«
Das war das Dumme – er konnte sich nie sicher sein, ob seine Großmutter ihn einfach in ihre Träume vom Stolz der Familie einspann oder ob die alten Kontakte mit Prominenten, die sie so sorgfältig pflegte, tatsächlich nützliche Informationen ergaben. Aber wie es aussah, war die Vorstellung, er könne zum Chef der Schanenhauser-Stiftung bestimmt werden, lächerlich, egal, ob Haver nun ging oder nicht. Es gab wenigstens zwanzig Leute, die ihm vorgezogen würden.
»Überlegst du, ob du in die Regierung gehst?«, fragte die alte Dame unerwartet.
»Nein – ich überlege, ob ich in die Wirtschaft gehe.«
»Dein Urgroßvater war in der Wirtschaft sehr erfolgreich«, sagte sie. »Einmal besaß er eine Flotte von achtundzwanzig Fahrzeugen. Gehst du zur Handelsmarine?«
»Nein«, sagte Tom. »Es wird ein wenig anders sein, Großmutter. Noch ist nichts sicher, aber ich habe es Dick Haver gegenüber schon erwähnt, und da dachte ich, du solltest es auch wissen.«
»Ich bedaure es, dass du in die Wirtschaft gehen musst«, sagte sie nüchtern, »aber es wird wohl nötig sein. Die Wirtschaft ist ja so langweilig – der Major konnte sie nicht ertragen und auch der Senator nicht. Aber es wird wohl nötig sein. Komm, reden wir über etwas Fröhlicheres. Wie, findest du, sieht es hier aus?«
»Gut«, sagte er.
»Ich kann es mir nicht leisten, den Rasen in Schuss zu halten, aber das Haus ist wie immer in gutem Zustand.«
»Es ist schön«, sagte er.
»Ich hoffe, du und Betsy könnt hier leben, wenn ich nicht mehr bin«, sagte sie. »Ich versuche, es für euch in Schuss zu halten. Sage es bitte keinem Menschen, aber ich musste einen kleinen Kredit aufnehmen, um das Dach richten und eine Ölheizung einbauen zu lassen. Edward wird alt, er kann keine Kohlen mehr schaufeln.«
Eine Heizung, dachte Tom – ich wette, dass meine drei Kinder mit den Kosten einer Heizung für diesen Bau ein Jahr ans College
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