Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Wahrscheinlich ist das reine Routine, und weil diese Geschichte mit der psychischen Gesundheit ein neues Projekt ist, haben sie im Moment eben nichts anderes für mich. Mehr ist das nicht – reine Routine. Er stand auf und lief im Zimmer herum, und er kam sich fast vor wie im Krieg, wenn er erfuhr, dass wieder ein Absprung bevorstand. Er schaute auf seine Uhr und zog sie nervös auf.
Ich möchte wissen, ob der alte Edward tatsächlich Beweise hat, dachte er, ich möchte wissen, ob Großmutter tatsächlich noch ein späteres Testament schrieb und es ihm gab, aber das ist doch unmöglich. Das hätte sie nie gemacht, ohne mir davon zu erzählen. Ich möchte wissen, ob wir das Land tatsächlich in kleinen Parzellen verkaufen können. Dieser Bernstein wird es mir sagen können – ich möchte wissen, was das für einer ist.
Ich sollte nicht an private Dinge denken, dachte er. Ich sollte bei diesem Projekt für psychische Gesundheit Initiative zeigen. Ich sollte nicht erwarten, dass Ogden mir immer neue Aufgaben zuteilt, ich sollte mir eigene ausdenken. Bestimmt muss man Ogden nie sagen, was er tun soll. Ich überlege mir, was getan werden muss, und dann tue ich es. Verdammt, wie fängt man ein nationales Komitee für psychische Gesundheit überhaupt an ? Man macht sich eine Liste von hohen Tieren als mögliche Mitglieder – zweifellos hat Hopkins das schon im Sinn. Man kriegt das Ding finanziert – und bestimmt hat sich Hopkins schon mit den Stiftungen darüber verständigt. Er könnte die Sache selbst bezahlen und das Ganze von der Steuer absetzen, aber dafür bräuchte er das Prestige der Stiftungen, und er wäre nicht so weit gegangen, wenn er das nicht alles schon arrangiert hätte. Er wird die Kooperation der Mediziner brauchen, deshalb arbeitet er auch so hart an der Rede. Was wird er noch brauchen? Einige Kenntnisse darüber, was die tatsächlichen Probleme auf dem Gebiet sind – das ist das Einzige, um das sich offenbar niemand kümmert. Wenn wir ein Programm aufstellen wollen, sollten wir eine Liste dessen haben, was die Experten als die Grundprobleme ansehen. Ich sollte die Spitzenmediziner befragen. Ich sollte mir ansehen, was die öffentliche Bibliothek zu dem Thema hat. Ich sollte mich gut informieren.
Ohne Ogdens Erlaubnis kann ich niemanden befragen, dachte er – das könnte Hopkins’ Karten zu früh aufdecken. Aber ich kann anfangen, mir Lektüre zu besorgen, und ich kann mir Ogdens Erlaubnis holen, Leute zu befragen – dann weiß er wenigstens, dass ich am Ball bleibe.
Tom drückte eine Taste auf seinem Schreibtisch, und als seine Sekretärin hereinkam, diktierte er ihr eine Mitteilung an Ogden, in der er ihn um die Genehmigung bat, die staatlichen psychiatrischen Kliniken sowie mehrere führende Psychiater aufzusuchen, um Informationen über Fragen zur psychischen Gesundheit zu sammeln. Dann setzte er noch hinzu, er plane, eine Bibliografie zu dem Thema zusammenzustellen – er fand, das klang ziemlich beeindruckend. Er hatte seiner Sekretärin gerade gesagt, er werde zu Mittag essen gehen und den Nachmittag in der öffentlichen Bibliothek verbringen, als das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab.
»Hallo«, sagte eine vertraute tiefe Stimme. »Spreche ich mit Mr Rath?«
»Hallo Caesar«, antwortete Tom. Ihm wurde ganz flau, und er dachte: Jetzt kommt’s. Dann war es Caesar also gar nicht peinlich gewesen, mich zu sehen – er hat nur den rechten Moment abgewartet. Ich möchte wissen, ob er mit Maria in Kontakt steht.
»Ich habe jetzt dienstfrei, und da dachte ich, ob wir vielleicht zusammen zu Mittag essen gehen wollen«, sagte Caesar.
»Gern!«, antwortete Tom mit gezwungener Fröhlichkeit. »Wo sollen wir uns treffen?«
»In der Eingangshalle bei der Information«, sagte Caesar. »Wann würde es Ihnen passen?«
»Jetzt«, antwortete Tom. »Ich bin gleich unten.«
Caesar lehnte, noch in seiner pflaumenblauen Fahrstuhlführeruniform, an der Wand der Informationskabine und rauchte eine Zigarette. Er grinste zaghaft, als er Tom nahen sah.
»Eine prima Idee!«, sagte Tom herzlich und schämte sich gleichzeitig, dass er es zusätzlich zu all den anderen Spannungen, die ihre Beziehung mit sich brachte, auch noch merkwürdig fand, mit einem Mann in einer Fahrstuhlführeruniform essen zu gehen. »Ich kenne ein prima kleines Lokal in der Forty-ninth Street, Richtung Sixth Avenue.«
»Schön«, erwiderte Caesar, dann gingen sie los. Sie schritten schnell über die Rockefeller Plaza.
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