Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Eigentlich hatte Tom kein spezielles Restaurant im Sinn – er wollte einfach in eines, wo man sie nicht sah. Der Drang, seine Verbindung mit Caesar ganz für sich zu behalten, war übermächtig. Schweigend gingen sie mehrere Minuten lang. Als sie schließlich ein schäbiges kleines mexikanisches Restaurant mit Bar an der Sixth Avenue erreichten, das wie ein Etablissement aussah, was keiner seiner Bekannten je aufsuchen würde, sagte Tom: »Das ist es. Ich mag mexikanisches Essen, Sie auch?«
»O ja«, sagte Caesar.
Sie gingen hinein und setzten sich an einen matt erhellten Tisch. Ein Kellner mit fleckiger Schürze kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Ein Radio über der Bar spielte ein Lied, in dem eine Frau immerzu »I love you« sagte.
»Die Getränke gehen auf mich«, sagte Tom. »Bestellen Sie sich, was Sie mögen.«
»Ich würde dann einen Scotch nehmen«, sagte Caesar. »Einen Black and White.«
»Dann zwei doppelte Black and White«, sagte Tom zum Kellner.
»Komisch, wie wir uns einfach so über den Weg gelaufen sind«, sagte Caesar.
»I’m falling for you«, sang die Frau im Radio. »Falling, falling, falling, head over heels in love.«
»Ja, komisch«, sagte Tom. »War eine ganz schöne Überraschung, Sie zu sehen.«
Der Kellner stellte die Gläser vor sie hin, und Tom führte seines begierig an den Mund.
»Na, das ist besser als dieser alte Dschungelsaft, den wir in Neuguinea getrunken haben«, sagte Caesar.
»Allerdings!«, erwiderte Tom. Das Wort »Dschungelsaft« kam ihm antiquiert vor – er konnte sich gar nicht erinnern, welchen getrunken zu haben.
»Sie haben es ja richtig gut gepackt«, sagte Caesar. »Assistent von Ralph Hopkins!«
»Schwein gehabt«, sagte Tom. »Ist auch nicht so ein toller Job, wie man meinen könnte.«
»Ich kann ja auch nicht klagen«, sagte Caesar. »Bei uns ist es auch ganz gut gelaufen.«
»Sind Sie verheiratet?«
»Ja. Sie auch?«
»Ja«, sagte Tom. »Ich hatte schon vor dem Krieg geheiratet.«
Die Frau im Radio beendete ihr Lied. »Und jetzt die Nachrichten«, sagte ein Sprecher. Der Barmann stellte das Radio ab.
»Sind Sie nach dem Krieg wieder nach Rom?«, fragte Tom.
»Klar – sobald ich aus dem Lazarett raus war. Gina und ich haben siebenundvierzig geheiratet. Jetzt haben wir drei Kinder.«
Tom sagte nichts. Er leerte sein Glas und bedeutete dem Kellner, noch einmal zwei zu bringen.
»Drei Kinder«, wiederholte Caesar. »Eine Weile war’s ziemlich hart, aber ich hab zwanzig Prozent Behinderung wegen meinem Rücken gekriegt, und Gina arbeitet jetzt. Wir kommen ganz gut zurecht. Sie fährt einen Fahrstuhl im Empire State Building. Manchmal macht sie Nachtschicht, manchmal ich – wir haben es so geregelt, dass einer von uns immer zu Hause bei den Kleinen ist.«
»Ist doch ein ganz gutes Arrangement«, sagte Tom.
»Wir haben eine hübsche Wohnung«, erwiderte Caesar. »Ist um einiges besser als das, was wir in Rom gekriegt hätten, wenn wir dort geblieben wären, wie Ginas Familie es wollte.«
»Dort ist es wohl ziemlich hart«, sagte Tom.
»Und ob! Ab und zu hören wir was von Ginas Mutter. Die haben’s nicht leicht.«
Tom trank einen langen Schluck. »Caesar«, sagte er, »haben Sie noch was von Maria gehört?«
Caesar schaute auf den Tisch. »Ja«, sagte er. »Deswegen wollte ich auch mit Ihnen sprechen.«
»Wie geht’s ihr?«
»Ich hab länger nichts mehr von ihr gehört – über ein Jahr nicht. Wussten Sie, dass sie den Mann mit der Bäckerei geheiratet hat, Louis Lapa?«
»Nein!«, sagte Tom. »Wann?«
Caesar wirkte verlegen. »Ungefähr zwei Monate nach unserer Abreise«, sagte er.
»Freut mich zu hören«, sagte Tom. »Doch, freut mich sehr. Louis war immer ein netter Kerl.«
Caesar blickte auf. »Sie wissen, dass sie einen Sohn hat?«, sagte er. »Kurze Zeit später hat sie einen Sohn gekriegt.«
»Nein«, sagte Tom. »Das habe ich nicht gewusst.«
»Sie hat einen Jungen«, sagte Caesar, »und es ist nicht gut für sie gelaufen. Louis hatte ein schlimmes Bein, das hat ihm ziemlich zugesetzt.«
»Tut mir leid, das zu hören«, sagte Tom.
»Er war lange im Krankenhaus, damit es mit dem Bein wieder was wird, und dann haben sie das Geschäft verloren.«
»Tut mir leid, das zu hören«, wiederholte Tom.
»Ginas Familie hat ihnen eine Zeitlang geholfen«, sagte Caesar. »Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, Mr Rath, aber als ich Sie gesehen hab und auch, dass es Ihnen so gut geht, da sind mir Gedanken über Maria und ihren
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