Der Mann im Park: Roman (German Edition)
legte die drei Bilder auf seinen Schreibtisch. Er hatte darum gebeten, sie mitnehmen zu dürfen, und wollte sie sich noch einmal anschauen.
Er trat ans Fenster. Öffnete es und zündete sich eine Zigarette an. Der Park lag vor ihm, da draußen, wie immer schon. Er dachte, dass er sicher genau diesen Ausblick am besten in Erinnerung haben würde an dem Tag, an dem er auf dem Sterbebett lag. Dieser Blick hatte seinem ganzen Leben einen Stempel verpasst.
Er rauchte seine Zigarette ruhig auf. Knüllte die leere Schach tel zusammen, morgen würde er sich neue kaufen müssen.
Stierna ließ das Fenster offen stehen, er wollte das Zimmer gut lüften. Er ging zum Schreibtisch und setzte sich auf seinen bequemen Bürostuhl.
Der Schreibtisch war nicht so ordentlich wie sonst. Normalerweise befanden sich nur der Stiftköcher hier, die Schreibmaschine und einige Papierstapel. Jetzt lagen mehrere Karten darauf. Beigefarbene Pappkartons, die drei Porträts. Ja, sogar seine Dienstwaffe lag auf der Tischplatte.
Stierna verschloss den Revolver in der untersten Schreibtischschublade, das war sein üblicher Platz. Er dachte an alle, die sie im Fall Ingrid Bengtsson befragt hatten, auch wenn sie von vornherein dieser Aktion gegenüber skeptisch gewesen waren.
Stierna stand wieder auf, ging ans Fenster und schloss es.
Wir werden ihn bald haben, dachte er. Das müssen wir.
Sein Blick blieb am Telefon hängen. Der Stecker war eingestöpselt. Er musste immer erreichbar sein, ganz gleich, wie spät es war.
Karolina rief eine Viertelstunde später an. Sie teilte ihm mit, dass sie am nächsten Morgen von der Insel zurückfahren würde. Er konnte sie nur schlecht verstehen, vielleicht lag das an der Leitung.
61
Karolina legte auf und trat in die Dunkelheit. Ging zu den Klippen, schaute auf den kleinen Bootshafen mit dem Segelboot und dem alten Holzkahn mit Außenbordmotor.
Noch vor Kurzem war sie hier auf der Insel zusammen mit John spazieren gegangen. Sie hatten gemeinsam Essen gekocht, Dorsch vom Fischmarkt am Kornhamnstorg. Sie hatten stundenlang zu der Musik aus dem Radio getanzt, er behauptete zwar, er könne nicht gut tanzen, aber sie hatte dem immer heftig widersprochen. Anschließend hatten sie sich leidenschaftlich geliebt, heftig und gleichzeitig zärtlich.
Die Zeit auf der Insel war perfekt gewesen, genau wie sie es sich gewünscht hatte. Und dennoch war ihr vieles dadurch nur klarer geworden. Sie hatte einsehen müssen, dass die Inselurlaubszeit zeitlich begrenzt war und ihr Leben lang ein Wunschtraum bleiben würde.
Die Anziehungskraft zwischen John und ihr war immer noch vorhanden, aber gab es auch noch das andere, das so viel wichtiger für sie war?
Sie hatte ihn sogar hier draußen erreicht, die Abteilung für Gewaltverbrechen. Lindberg hatte angerufen, und sie nahm an, dass es ein strategischer Schachzug gewesen war, denjenigen John anrufen zu lassen, der ihm in der Truppe am nächsten stand. Denn es hätte ja auch sie sein können, die den Hörer abnahm. Und dadurch, dass Lindberg anrief, sollte der Schreck nicht so groß sein.
Nicht einmal hier konnten sie Frieden finden. Und John war abgefahren, natürlich war er abgefahren.
Es war diese Besessenheit für seine Arbeit, die immer mehr zunahm und die besonders stark gewachsen war, seit das Mädchen auf der Djurgårdswerft tot aufgefunden worden war. Karolina war sich nicht mehr sicher, ob sie ihn noch liebte, ihn, der doch »die Liebe ihres Lebens« gewesen war. Als hätte seine Besessenheit diese Gefühle aufgefressen. Als wäre sie für ihn nicht mehr so wichtig. Und es würden neue Morde passieren, neue Tragödien. Sogar eine neue Ingrid Bengtsson würde es geben, es sprach alles dafür, dass es so sein würde.
Die Glut, die sie noch vor wenigen Wochen so intensiv gespürt hatte, lief Gefahr zu erlöschen. Es wunderte sie, wie schnell das ging.
Wenn John doch nur ein Buchhalter gewesen wäre. Bei irgendeiner Aktiengesellschaft, eine Arbeit, so langweilig und grau, dass er sie problemlos hinter sich lassen konnte, wenn er sich abends die Zähne putzte. Dann wäre es wohl anders gewesen. Aber im tiefsten Innern wusste sie, dass das nicht stimmte. Das war nicht das Entscheidende, sondern es war etwas anderes. Nämlich die Tatsache, dass sie ihn nicht mehr liebte. Ob er nun spät nach Hause kam oder nicht. Ob er nun eine andere hatte oder nicht. Seine Besessenheit führte dazu, dass die Flamme rascher erlosch. Und verlöschen würde sie so oder so.
Die Liebe
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