Der Mann im Park: Roman (German Edition)
Schließlich ist er ja Läufer.«
»Ja, natürlich. Kommt es vor, dass er auch etwas anderes tut?«
Gerd Andersson überlegte.
»Das ist ein Mal vorgekommen.«
60
Lindberg öffnete seine braune Lederaktentasche und holte die drei Zeichnungen heraus.
Sie waren sich ziemlich ähnlich. Ein Mann, dunkle Haare und dunkle Augen. Das Haar war ordentlich gekämmt, mit Seitenscheitel. Hohe Stirn. Wie der Mann auf Ingrids Zeichnung. Doch der Mann, den das achtjährige Mädchen gezeichnet hatte, hatte auf eine gewisse Art und Weise eine Seele; das Gesicht der drei Porträts, die vor ihm lagen, war hingegen nichtssagend. Fast wie das eines Toten.
Das kann jeder sein, dachte Stierna, während er seinen Blick über die Zeichnungen wandern ließ.
Berner setzte sich auf den leeren Platz an der Stirnseite des Tisches. Er blickte in die Runde, schaute die Männer an, die sich um den großen, schweren Konferenztisch aus dunklem Holz versammelt hatten.
»Wir haben drei Zeichnungen«, sagte Lindberg. »Sara Åkerblom hat heute Abend alle drei Kellnerinnen getroffen, die in dem Café arbeiten, deshalb sind es drei Porträts geworden. Aber alle sind der Meinung, dass das Bild, das nach den Angaben von Kristina Falk gemacht wurde, das beste ist.«
»Falk«, sagte Berner, »das war doch die, die du als Erste in dem Café getroffen hast, oder?«
»Ja«, bestätigte Lindberg. »Das ist sie.«
»Und jetzt?«, fragte Berner.
Stierna lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Jetzt beginnt wieder die Zeugenbefragung«, sagte er. »Jetzt gehen wir in Stadshagen von Tür zu Tür, fragen, ob jemand den Mann auf der Zeichnung kennt. Und in Vasastaden, besonders in der Gegend um den Vasapark. Wir fragen in Geschäften, Kneipen, Wäschereien nach. Überall, in Mietblocks.«
Lundby stand auf.
»Wann fangen wir an?«
»Morgen. Wir werden das Bild morgen kopieren«, entschied Berner.
»Keine Zeitungen?«, fragte Lundby. »Das Bild kommt nicht in die Zeitungen?«
»Noch nicht«, antwortete Berner, »erst, wenn wir alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben.«
Stierna sagte nichts. Er wusste, Berner hatte recht. Der große Detektiv, die Gesellschaft, würde mehr stören als helfen. Der Dschungel an Tipps würde undurchdringlich sein und sie in alle möglichen Sackgassen schicken.
Stierna und Lindberg gingen schweigend den langen Flur entlang.
»Ich denke an die Handschrift«, sagte Stierna. »Die geht mir schon eine ganze Weile durch den Kopf. Die Handschrift auf dem Zettel, den Nils Sandquist in dem Mantel gefunden hat, den er dem möglichen Autodieb in der Sibyllegatan abgenommen hat. Die Einkaufsliste. Ich möchte, dass wir dieser Schrift nachgehen.«
Lindberg blieb stehen.
»Wie sollen wir denn einer Handschrift nachgehen?«
Stierna ging weiter.
»Die Steuererklärungen«, sagte er knapp.
Lindberg hielt ihn an der Schulter fest.
»Die Steuererklärungen?«
»Ja. Wahrscheinlich haben wir die Handschrift des Mannes, den Sandquist in der besagten Nacht gejagt hat. Der das Sammelbild gekauft hat, das Ingrid bekommen hat. Der Mann aus dem Vasapark. Vielleicht der Mann, der in Stadshagen zum Laufen geht. Wenn er ein Einkommen hat, muss er das versteuern. Wenn er es versteuert hat, finden wir seine Handschrift dort, irgendwo unter all den Steuererklärungen im Finanzamt auf dem Slottsbacken.«
Lindberg baute sich vor ihm auf, Stierna musste stehen bleiben.
»Und wenn es nicht seine Handschrift ist?«
»Dann finden wir vielleicht trotzdem die Person, die den Zettel geschrieben hat. Was auch nicht uninteressant wäre.«
»Aber wir sprechen hier von hunderttausend Steuererklärungen. Von unendlich vielen.«
»Das grenzen wir ein«, sagte Stierna. »Wir fangen mit dem Finanzamt für Vasastaden an. Gustav Vasa. Matteus Süd und Nord. Adolf Fredrik. Den Rest von Vasastaden. Da gehört er hin. Vielleicht wohnt er dort.«
»Nicht in Stadshagen? Dort sprechen wir ja wohl von der Sankt-Göran-Gemeinde, oder?«
»Ja, dort auch. Aber wir fangen mit Vasastaden an.«
»Dann willst du Handschriftexperten hinzuziehen? Die Experten der Kungliga Biblioteket, die wir in solchen Fällen um Hilfe bitten?«
»Später, ja. Wenn wir die Unterlagen ausgesiebt haben.«
»Und die Schweigepflicht?«, fragte Lindberg. »Für die Steuererklärungen, meine ich …«
Stierna unterbrach ihn.
»Das hat hier keine Bedeutung. Nicht, wenn ein achtjähriges Mädchen ermordet worden ist.«
Wenige Minuten später saß Stierna in seinem Arbeitszimmer. Er
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