Der Mann im Park: Roman (German Edition)
sich gegen die Parmmätargatan entschieden. Hatte das Gefühl, die Wohnung war für »sie beide«, nicht für ihn. Besser konnte er das nicht erklären.
Am Sonntagmorgen schlief er lange, wie immer, wenn er noch spät gearbeitet hatte. Gegen zwei Uhr ging er zum Zigarettenladen in der Sankt Eriksgatan. Verzichtete aber auf Zigaretten, nahm nur das Aftonbladet vom Tage. Bezahlte zehn Öre und ging.
Daheim am Küchentisch überflog er die Titelseite. Kommunisten hatten in Amsterdam revoltiert, und es gab das Gerücht, dass sie aus Moskau mit mehreren Millionen Gulden unterstützt worden waren. Das Militär war ausgerückt, und bei den Krawallen waren Zivilisten ums Leben gekommen. Das Scharlachfieber wütete in Gävle. Zarah Leander war krank geworden, was Karl Gerhard dazu zwang, sich eine neue Primadonna für »I skuggan av en stövel« zu suchen, zumindest für ein paar Wochen. Er schien bereits zwei mögliche Ersatzkräfte gefunden zu haben: Gull-Maj Norin war aus ihrem Urlaub in Kopenhagen nach Stockholm gerufen worden, und Karin Carlsson war aus Norwegen in die schwedische Hauptstadt gereist.
Ihm schien, dass die Überschriften in den Zeitungen seit ein paar Jahren immer finsterer wurden, der Optimismus und Zukunftsglaube der Zwanzigerjahre war durch etwas anderes ersetzt worden: die Dreißigerjahre. Bis jetzt war es das Jahrzehnt der Finsternis. Massenarbeitslosigkeit. Depression und der Kreuger-Crash. Die Ereignisse von Ådal, bei denen das schwedische Militär das Feuer eröffnet und vier Demonstranten und einen Zuschauer getötet hatte. Der Mord an den von Sydows. Die Bücherverbrennungen der Nazis und die Judenverfolgungen in Deutschland. Japans Okkupation von Schanghai. Der Siegeszug des Faschismus durch Europa.
Gegen fünf Uhr kamen die Straßenmusikanten. Das Fenster zum Hinterhof stand offen, sodass Stierna sie sofort hören konnte, als der Leierkasten gedreht wurde.
Stierna beugte sich aus dem Küchenfenster, betrachtete die Teller, die davorstanden. Sie waren nicht abgewaschen. Nicht wie in der Zeit, als vor wenigen Jahren noch ein Hausmädchen bei ihm gewohnt hatte. Sie hatte für ihn geputzt, gekocht. Er hatte ein Dienstmädchen gehabt, wie es sich für einen Mann in seiner Position gehörte, aber dann hatte er sie gehen lassen. Er brauchte sie nicht mehr. Schließlich aß er sowieso meistens auswärts. Und wenn er in seiner Wohnung war, dann wollte er dort auch allein sein. Das Mädchen war noch jung gewesen, kam vom Land, aus Blekinge. Sie wollte in die Großstadt, wie so viele andere. Wollte hierbleiben, nie wieder aufs Land zurück. Er hatte sie entlassen, aber Högstedt empfohlen. Und bei dem arbeitete sie jetzt. Sie war zufrieden. Fast hatte er das Gefühl, eine gute Tat begangen zu haben, sie vielleicht nicht gerade gerettet zu haben, aber er wusste, dass die Stadt Menschen verschlucken konnte, die dieses Treiben nicht gewohnt waren. Sie hätte auf Abwege geraten können, untergehen. Zu etwas gezwungen werden, was sie sich nicht einmal hätte vorstellen können.
Eine Gruppe von Kindern stand um den Leierkasten herum. Um den kleinen, dicken Mann mit Glatze, der die Kurbel drehte, ihn hatte Stierna schon häufiger gesehen. Neben ihm stand die große, dürre Frau, die das Geld einsammelte.
Wahrscheinlich seine Frau, dachte Stierna, die sich um die Finanzen kümmerte.
Die Kinder musterten mit großen Augen den Leierkasten. Einige von ihnen kannte Stierna, sie wohnten in der Nachbarschaft. Sie begleiteten den Leierkastenmann von Hof zu Hof. Arme Kinder, die fast auf der Straße lebten. Deren Eltern sich kaum um sie kümmerten.
Stierna lehnte sich weiter aus dem Fenster. Er hatte sein Portemonnaie in der linken Hosentasche, wie immer. Als die Straßenmusikanten da unten fertig waren, tat er das Gleiche wie alle anderen. Er riss ein Stück von einer Zeitungsseite ab, wickelte ein paar Kupfermünzen hinein und warf sie in den Hof.
Die lange, dünne Frau sammelte die Papiertütchen mit den Münzen ein und verneigte sich vor der Hausfassade. Ein kurzer Applaus hallte auf dem Hinterhof wider, dann waren die Musikanten verschwunden. Für dieses Mal.
Abends besuchte Stierna seine Eltern. Das tat er meistens sonntags. Und fast immer war er mit ihnen allein. Erik hatte einen Malerbetrieb eröffnet, der lief gut, außerdem hatte er ja noch seine Familie. Und Fredrik war immer noch in Amerika.
Als Stierna sein Elternhaus in der Södermannagatan verließ und zur Straßenbahn am Södermalmstorg ging,
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