Der Mann im Park: Roman (German Edition)
dachte er daran, wie gut es ihnen ging. Und gleichzeitig hatte er Lust, in eine der vielen Kneipen zu gehen, die in der Nähe lagen. So war es immer, wenn er seine Eltern besucht hatte. »Grå Kvarn« in der Tjärhofsgatan. »Port Arthur« in der Blekingegatan. »Mosebacke«. Als ob er sich schämte. Vielleicht weil er ihnen nicht das gegeben hatte, was er ihnen schuldig war. Keine Enkelkinder, und er war nicht so hoch aufgestiegen, wie er hätte aufsteigen können.
Er entschied sich für »Mosebacke«, nicht »Il Mare«. Stierna nahm an, dass sie sicher hatten schließen müssen. Und seine beiden Mitgliedskarten waren sowieso zerrissen. Also ging er in eines der üblichen Lokale. Eines, das um zwölf schloss, wie die normalen Kneipen.
74
Es war Viertel nach elf, als Stierna den kahlen Vernehmungsraum im Keller des Präsidiums am Montag, den neunten Juli betrat. In dem Raum befanden sich nur ein viereckiger Holztisch und zwei Stühle. Der Wachtmeister in der Türöffnung überreichte ihm die beigefarbene Pappmappe. Stierna öffnete sie und las die erste Seite.
Sverker Erik Gustafsson, verhört von Hauptwachtmeister Gunnar Rehn und Kriminalassistent Alfred Weimers. Hintergrund: Der Befragte (Gustafsson), ehelich geboren am 12. April 1903 in Piteå, Sohn des verstorbenen Kaufmanns Sven Gustafsson und seiner noch lebenden Ehefrau Monika Gustafsson, gemeldet in Stockholm seit Januar 1921; seit dem 4. Dezember 1932 wohnhaft in Haus Nummer 10 Kungsholmstorg. Sverker Erik Gustafsson wohnte daheim in Piteå bis zu seinem 14. Lebensjahr, dann wurde er wegen Ladendiebstahls ins Kinderheim in Forsberg eingewiesen. Er hat die Volksschule abgeschlossen und anschließend einen Fernkurs in Elektronik an der mit dem Heim verbundenen Fernschule besucht. Zum Jahreswechsel 1920/1921 wurde er aus dem Kinder- und Jugendheim entlassen und zog nach Stockholm. 1923 wurde er wegen Diebstahls zu vier Monaten Gefängnisstrafe auf Långholmen verurteilt und hat diese verbüßt. Im Oktober 1927 wurde Gustafsson wegen schwerer Misshandlung von Inga Svensson zu sechs Jahren Strafarbeit verurteilt. Im Herbst 1931 wurde er entlassen.
Stierna nahm die Mappe mit und setzte sich auf den leeren Stuhl dem Mann gegenüber. Demonstrativ legte er die Mappe vor sich auf den Tisch.
»Aha«, begann Stierna, »was haben wir denn hier?«
Der Mann sah ihn verwundert an. Der lange blonde Pony fiel ihm ins Gesicht.
Geboren am 12. April 1903. Dann ist er jetzt einunddreißig, dachte Stierna, während er schweigend den Mann vor sich musterte. Aber er sieht nicht aus wie einunddreißig, höchstens wie fünfundzwanzig. Obwohl er versucht hat, sich einen Bart wachsen zu lassen, aber der wuchs nur spärlich.
»Ich möchte mit Ihnen sprechen, Herr Kommissar«, sagte der Mann schließlich. »Zu Ihnen habe ich mehr Vertrauen als zu dem anderen, mit dem ich das letzte Mal geredet habe. Ich will ja, dass alles in Ordnung kommt, wissen Sie …«
Stierna unterbrach ihn. Die Kopfschmerzen schienen ihn zu überrollen. Am Tag zuvor war er im »Mosebacke« gewesen und hatte den Fehler gemacht, den er doch niemals machen wollte: Er hatte zu viel getrunken und viel zu viel geraucht, mindestens eine Packung.
»Dann waren Sie nicht zufrieden mit demjenigen, der Sie bisher verhört hat, mit Hauptwachtmeister Rehn?«
Sverker Gustafsson nickte.
»Warum wollten Sie mich sprechen?«, fragte Stierna. »Ich habe mit den Ermittlungen nichts zu tun.«
»Nein«, bestätigte Gustafsson. »Aber bei Ihnen ist das was anderes. Ich hatte ja früher schon mit Ihnen zu tun. Und ich habe das Gefühl, dass Sie mich verstehen, Ihnen kann ich trauen. Sie waren doch letztes Mal auch dabei, wissen Sie noch?«
Sverker Gustafsson klang verzweifelt, obwohl er sich alle Mühe gab, hart und unbeteiligt zu klingen. Natürlich erinnerte Stierna sich an Sverker Gustafsson. Sein Dialekt war noch anders gewesen, als sie das letzte Mal aufeinandertrafen. Das auffällige Nordländische hatte sich in einen ziemlich neutralen Tonfall verändert, der auch als Stockholmer Dialekt durchgehen konnte.
Stierna hatte sich mit dem Fall vertraut gemacht, obwohl er nicht an den Ermittlungen beteiligt war. Er hatte die Bilder der misshandelten Frau gesehen. Sie hieß Margit Ek, Gustafsson hatte sie seit knapp einem halben Jahr gekannt. Stierna hatte die drei tiefen Wunden gesehen, verursacht von dem spitzen Teil eines elektrischen Bügeleisens, auf der linken Schädelseite. Margit Ek konnte froh sein, dass sie noch
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