Der Mann im Park: Roman (German Edition)
am Leben war.
»Der Herr Kommissar sieht älter aus«, sagte Sverker Gustafsson plötzlich.
Stierna sah ihn unverwandt an.
»Das letzte Mal haben wir uns 1927 gesehen. Glauben Sie mir, seitdem ist viel Wasser unter den Brücken durchgeflossen.«
Gustafsson grinste.
»Es scheint, als hätte der Herr Kommissar seine Jugend verloren.«
»Das werden Sie auch haben, wenn Sie das nächste Mal wieder rauskommen«, erwiderte Stierna. »Dessen können Sie sicher sein, Gustafsson. Sie sind jetzt draußen seit …«
Stierna blätterte in den Unterlagen, bevor er fortfuhr.
»… nicht einmal drei Jahren. Wie oft haben Sie die Frau seitdem geschlagen? Wie oft haben Sie Margit Ek geschlagen?«
»Gar nicht. Der Herr Kommissar muss mir glauben …«
»Ach, hören Sie doch auf. Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Aber eines möchte ich doch wissen. Haben Sie sich jemals an einen Mann rangetraut? An jemanden, der zurückschlagen kann? Ich muss zugeben, das kann ich mir nur schwer vorstellen.«
Sverker Gustafsson sprang auf. Stierna sah den Hass in seinem Blick.
»Hier gibt es nichts«, sagte Stierna, »kein Bügeleisen, mit dem Sie zuschlagen könnten.«
Als er durch die dunklen Flure in den Katakomben des Polizeigebäudes lief, dachte Stierna, dass er sich aufrieb. Der Gedanke war ihm in den letzten Jahren immer häufiger gekommen. Früher hatte er das nie gedacht, jedenfalls nicht in dieser Art. Und er hatte diesen Gedanken nie richtig an sich rangelassen.
Jetzt fühlte er in erster Linie Verachtung. Immer seltener Verständnis, und das war doch seine Stärke gewesen, als er im Konferenzraum die Anweisungen gegeben hatte.
Er hatte immer noch dasselbe Arbeitszimmer. Eines der besten in der Abteilung für Gewaltverbrechen. Der Schreibtisch war auch immer noch derselbe, die Bücherregale, der Aschenbecher.
Er trat an das Bücherregal und nahm einen der dicken beigefarbenen Pappkartons heraus. Mit dem weißen Etikett, auf dem stand: »Ingrid Bengtsson«. Immer noch schaute er häufiger hinein, mehrere Male in der Woche. Aber inzwischen war er der Einzige, der das tat.
Die Akte über den »Stinsen« lag zuoberst, Stierna konnte sich nicht erinnern, wieso. Sie war dünn. Die Suche in den Stockholmer Melderegistern hatte nichts ergeben, »Stinsen« schien kein üblicher Spitzname unter den Ganoven zu sein. Sie hatten ein paar Mitteilungen von den Kollegen im Land bekommen, aber auch die hatten zu nichts geführt. Und sie hatten Informationen über »Stinse« von der Staatlichen Eisenbahngesellschaft bekommen. Einige »Stinse« hatten sie sich näher angeschaut. Auch ein paar einfache Bahnhofsvorsteher und andere vom Eisenbahnpersonal. Es hatte nichts gebracht, der Mörder war nicht aufzufinden.
Er war wie vom Erdboden verschluckt, dachte Stierna. Als hätte er das Land verlassen und alle Spuren hinter sich verwischt.
Und er dachte an alles, was sie außerdem unternommen hatten. Die Spuren, die zu nichts geführt hatten. Nils Sandquists gestohlenes Automobil, das nie gefunden worden war. Da war etwas mit dem Wagen, das Stierna nie verstanden hatte. Der Mörder, der von Nils Sandquist die Sibyllegatan hinauf verfolgt worden war, als er das erste Mal versucht hatte, das Fahrzeug zu stehlen. Und der dann zurückgekommen war und den schwarzen Chevrolet Imperial Landau bei seinem zweiten Versuch endgültig stahl. Die ergebnislose Suche unter Sittlichkeitsverbrechern und Gewalttätern.
Die Jagd nach Männern, die diese Sammelbilder gekauft hatten, aus der Serie Åhlén & Åkerlunds schwedische Rekordhalter. Die Überwachung der Orte, die der Mörder besucht haben könnte. Geschäfte, Kioske, Restaurants. Das »Runan«, der Mörder war nie wieder dorthin zurückgekehrt, zumindest nicht, soweit sie wussten. Zahlreiche Hinweise, die trotz allem bei ihnen eingingen, nachdem sie dafür gesorgt hatten, dass die Zeichnungen in der Presse publiziert wurden, Sara Åkerbloms und Ingrids Zeichnung von dem Mann, der dort im Park gesessen hatte. Ihnen waren diverse Personen genannt worden, die sie überprüft hatten. Aber in dem Rest wären sie fast ertrunken, in all den Tipps, die zu nichts geführt hatten. Manchmal hatte Stierna das Gefühl, die Lösung wäre hier zu finden, in diesem Dickicht von Tipps, sie hatten sie aber nie sehen können, weil ihnen viel zu viel anderes im Weg stand.
Der Kommissar trat ans Fenster, öffnete es. Er holte die Comtesse-Packung heraus und zündete sich eine Zigarette an. Ließ den Blick über den
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