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Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
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trauriges Lächeln.
    »Sie hatten eine Zeichnung von ihm«, fuhr Grönwall fort. »Und dann hatten Sie noch die Zeichnung des Mädchens. Und Zeugen, die ihn gesehen hatten, die sogar mit ihm gesprochen hatten.«
    Stierna trank sein Glas leer. Grönwall hatte fast noch ein Drittel in seinem, leerte es aber auf einen Zug, er wollte nicht hinter Stierna herhinken.
    Der ehemalige Kommissar hob die Hand, der dunkelhaarige Kellner kam sofort an ihren Tisch.
    »Noch eins für jeden bitte«, sagte Stierna, ohne Grönwall zu fragen.
    »Gerne, die Herren.«
    »Aber wir haben ihn nicht gefunden«, sagte Stierna.
    Grönwall machte sich mit seinem Bleistift ein paar Notizen. Stierna fiel auf, dass der Journalist noch nicht viel geschrieben hatte, obwohl sie doch schon bei ihrem zweiten Bier waren.
    »Er hatte also das Zimmer in der Hagagatan seit Februar 1928 gemietet. Wo hat er vorher gewohnt?«
    »Wir wissen es nicht.«
    »Und Sie haben ihn nie erwischt. Haben nie erfahren, wer er war.«
    Stierna schaute ihn an.
    »Ich glaube, das haben wir doch.«
    Grönwall zuckte zusammen, als wäre er aus dem Schlaf geweckt worden.
    »Wie soll ich das verstehen?«
    Stierna warf einen Blick auf seine Taschenuhr. Es war schon nach sieben.
    »Später«, sagte er.
    *
    Stierna war in sein Zimmer hochgegangen. Er ging ins Badezimmer, rasierte sich sorgfältig, duschte. Zog sich einen grauen Anzug an, den er Anfang der Vierzigerjahre gekauft hatte. Er hatte das Gefühl, dass er diese Zeit brauchte, diese knappe Stunde, um sich mental auf den Abend vorzubereiten.
    Die Liederliste lag auf dem Bett, damit er sie griffbereit hatte. Eigentlich war das albern, er wusste auch so genau, was er spielen wollte. Und in welcher Reihenfolge.
    Es waren nur sechs Stücke, dann waren die Zuhörerwünsche dran. Ihm gefiel diese Herausforderung, zu versuchen das zu spielen, worum die Gäste ihn baten. Manchmal schaffte er es nicht, doch meistens gelang es ihm.
    Die »Mondscheinsonate« von Beethoven war ein schwieriges Stück. »Min soldat«, mein Soldat, war eine sichere Sache, das wusste er bereits. Karl Gerhard, aber an diesem Abend wollte er nicht »Das berüchtigte Pferd von Troja« spielen. Stattdessen wurde es »Jag är ett bedårande barn av min tid«, die Musik hatte Jules Sylvain komponiert. Und dann ein Evergreen von Fats Waller, »Ain’t Misbehavin’«, »Somewhere over the Rainbow« , das kannten alle. Und zum Schluss »Ack Värmeland, du sköna«. Er erinnerte sich an den Abend bei seinen Eltern vor fast fünfundzwanzig Jahren. Als er dieses Stück gespielt und Karolina dazu gesungen hatte. Hinterher war sie wütend auf ihn gewesen. Aber wütend auf eine Art und Weise, die ihn glücklich machte.
    Das eingerahmte Foto stand immer noch auf seinem Nachttisch. Von Karolina auf dem Anleger, draußen auf der Insel. Das blonde Haar mit Seitenscheitel, die hohe Stirn, die großen Augen.
    Manchmal hatte sie behauptet, sie sei nicht zufrieden mit ihrem Aussehen. Ihre Nase sei zu lang und zu spitz. Aber das hatte er nie verstehen können. Denn für ihn war sie immer schön gewesen, selbst wenn sie einmal blass und krank war. Vielleicht war sie gerade dann am schönsten.
    Unsere Liebe, was ist daraus geworden?, fragte er sich. Meine, die gibt es wohl noch irgendwie, versteckt, eingebettet in die dunklen Schatten der Vergangenheit. Es gibt sie noch, irgendwie kann ich mich erinnern, spüre sie vage, aber ich weiß nicht mehr, wie es wirklich war.
    Aber ihre Liebe, die sie einmal für mich empfunden hat? Gibt es die noch? Sie liebt mich wohl kaum noch. Aber was ist aus all der Energie geworden, der Liebe, die sie einmal für mich gefühlt hat? Ist alle Kraft gestorben, weggeblasen, für immer verschwunden? Oder ist sie in etwas anderes übergegangen, in eine ganz andere Kraft? Denn es heißt doch, dass Energie nicht stirbt, sie verwandelt sich nur in eine andere Form von Energie. Jedenfalls meine ich mich zu erinnern, dass mir das einmal so beigebracht wurde, vor langer Zeit auf der Schulbank.
    Meine Überlegungen werden immer dubioser und abstrakter.
    Er trat ans Fenster und schaute hinüber zur Kirchturmuhr. Viertel vor acht. Der zweite September 1953. Bald würde sich der Kreis schließen.
    *
    Stierna setzte sich gleich ans Klavier. Es waren viele Gäste gekommen, vielleicht schaute er sich deshalb gar nicht erst um. Genauso hatte er es bei den vielen Pressekonferenzen im Polizeihauptgebäude gemacht. Sich nicht umgeschaut, um das Aufgebot gar nicht erst

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