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Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
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wahrzunehmen. Er hatte nicht auf die Fotografen geachtet. Um sich selbst einreden zu können, dass es sich nur um wenige handelte. Vielleicht war er deshalb bei diesen Veranstaltungen immer so ruhig und klar gewesen, hatte mit so sicherer Stimme gesprochen. Berner hatte behauptet, die Presse liebe Stierna. Weil dieser ihnen nie zu wenig bot, auch wenn er nicht viel preisgab. Aber er hatte ihnen immer irgendetwas zukommen lassen, um sie ruhigzustellen.
    Wenn er dort auf dem Podium gesessen hatte, hatte er nie besondere Sympathie oder Antipathie für die Presse empfunden. Er hatte sie kaum wahrgenommen, ausgeblendet.
    Der Oberkellner kam mit dem Pils. Und dem Whisky. Stellte beides vor ihn hin.
    Die »Mondscheinsonate« ging, wie sie sollte. Nicht, dass sie größere Aufmerksamkeit erweckte, bis auf vereinzelten Applaus. Aber es funktionierte. Dann würde der Rest auch funktionieren, das wusste Stierna. Zumindest rein technisch.
    Nachdem er die Stücke von seiner Liste gespielt hatte, stürmten die Wünsche auf ihn ein. Einige Norweger wollten Grieg hören, »In der Halle des Bergkönigs«. Als das Tempo zunahm, riss es die Norweger mit, sie begannen die Melodie mitzusummen.
    Das Bier geht heute Abend sicher gut, dachte Stierna.
    Dann kamen die üblichen Fünfzigerjahreschlager, die man aus dem Radio kannte. Einige konnte er nicht spielen, bei anderen lief es besser. Nat King Coles »Mona Lisa«, damit hatte er kein Problem. Schwieriger war es mit Lars Lönndahls »Ett vänligt litet ord«, »Ein kleines, nettes Wort«. Er konnte sich nicht erinnern, das je gehört zu haben, und konnte es folglich nicht spielen.
    Der Oberkellner stellte ihm ein frisches Bier hin, aber den Whisky hatte er noch nicht angerührt.
    Von so einem Leben habe ich in den unschuldigen Tagen meiner Kindheit geträumt, dachte er. Nie davon, Polizist zu werden. Ich habe davon geträumt, irgendwo auf einer Bühne am Klavier zu sitzen. Zu spielen und davon leben zu können.
    Er wusste, wie widersinnig das war. Es war bei den Träumen geblieben, es hatte nicht anders kommen können.
    Eine halbe Stunde später saß er wieder bei Grönwall. Am selben Tisch, am Fenster. Draußen war es jetzt dunkel, Herbst in Visby.
    Der Journalist war leicht beschwipst; Stierna merkte das sofort.
    Der dunkelhaarige Kellner stellte ihnen zwei Bier hin, ohne dass sie darum gebeten hatten.
    »Sie spielen gut«, sagte Grönwall, »das wissen die Gäste zu schätzen.«
    Stierna zündete sich eine Zigarette an. Es war die erste an diesem Tag. Und der Tag war schon fast zu Ende, er hatte nur noch ein paar Stunden.
    »Ich weiß nicht … Ich hoffe es. Die verkaufen wohl so einiges an Bier durch mich hier.«
    »Das denke ich auch. Macht Ihnen das Spaß? Ich meine, Klavier spielen?«
    »Ja, das macht mir wirklich Spaß.«
    »Aber Sie sind kein Pianist geworden«, sagte der Journalist. »Sondern Polizist. Warum?«
    Stierna stand auf, nahm den Stock und ging zum Klavier. Ihm war eingefallen, dass der Whisky dort noch stand, unberührt. Den holte er sich jetzt.
    Er kehrte zum Tisch zurück, setzte sich wieder. Kostete den Whisky, stellte den Stock neben sich. Dann faltete er die Hände und stützte das Kinn auf die Daumen. Diese Geste war typisch für ihn.
    »Ohne mit der Wimper zu zucken, wage ich zu behaupten«, erklärte er, »dass die meisten von uns zur Truppe gekommen sind, weil sie das als Berufung empfunden haben. Schwer zu beweisen, ich weiß. Aber trotzdem, es ist wie eine Berufung. Wie bei einem Arzt oder einer Krankenschwester oder jemandem, der im Gesundheitswesen oder im sozialen Bereich tätig ist. Wir wollten helfen, und das ist noch heute so. Auch wenn die Wirklichkeit sich einem schnell aufdrängt, wenn man erst einmal in der Mühle ist, und uns die Realität bewusst wird und wir feststellen, dass auch wir nicht unsterblich sind. Dass wir vielleicht gar nicht so viel tun können, um die Gesellschaft zu verändern.«
    Grönwall saß ihm schweigend gegenüber.
    »Obwohl ich mittlerweile andere Töne dort höre«, fuhr Stierna fort. »Andere als damals, als ich mich bei der Polizeitruppe beworben habe. Das Gerede in der Presse vom Faschismus, von Menschenschinderei und anderem. Dass das Polizeikorps völlig verfault sei, aber ich bin trotzdem immer noch der Überzeugung, dass die meisten von uns sich berufen gefühlt haben. Das ist auch heute noch so.«
    Grönwall nickte langsam.
    Aber Stierna war klar, dass der Journalist ihn nie verstehen würde. Trotzdem gefiel ihm

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