Der Mann im Park: Roman (German Edition)
eine Weile.
»Ich verstehe«, sagte er schließlich. »Aber es gibt da etwas, was mich wundert. Oder besser gesagt, mehrere Dinge. Der Wagen ist von einem Steilhang hinuntergestoßen worden. In eine Tiefe, die Bråddjupet heißt. Ist es einfach, dort einen Wagen hinunterzuschieben?«
»Ja«, antwortete der Landjäger. »Das würde ich wohl meinen. Die Landstraße führt höchstens zwanzig Meter davon entfernt entlang. Und es ist kein Problem, mit einem Wagen von der Landstraße zur Klippe zu fahren.«
»Wer kennt diesen Platz? Die Klippe und Bråddjupet?«
»Alle hier aus der Gemeinde, denke ich mal. Vielleicht auch Einwohner aus der Umgebung. Leute, die früher hier gewohnt haben … Ich weiß es nicht.«
»Und wie läuft es sonst?«
»Ich habe mit der Zeugenbefragung angefangen, um mich nach dem Wagen zu erkundigen. Ob jemand etwas gesehen hat, was mit ihm in Verbindung gebracht werden kann. Aber es ist bisher noch nichts dabei herausgekommen. Und er scheint ja schon lange da unten gelegen zu haben, mehrere Jahre. Außerdem liegt der nächste Hof ein paar Hundert Meter entfernt, und rundherum ist dichter Wald. Sicher, unterhalb der Klippe gibt es das Sägewerk, aber da wohnt ja keiner. Wenn der Wagen also spätabends versenkt wurde, nachdem die Sägewerkarbeiter nach Hause gegangen waren, dann dürfte niemand etwas gesehen haben. Falls der Wagen nachts gebracht wurde, wenn die Leute schlafen … Vielleicht mit ausgeschalteten Scheinwerfern. Dann ist kaum zu erwarten, dass es irgendwelche Zeugen gibt.«
Offensichtlich kannte er sich da aus, dachte Stierna. Und wusste, dass niemand im Sägewerk wohnt. Dass es dort nach Feierabend menschenleer ist.
Der Mörder ist da oben zu Hause, dachte Stierna. Irgendwie gehört er dorthin. Wenn nicht jemand anders den Wagen in die Tiefe geschickt hat. Aber davon ging Stierna nicht aus, das war unwahrscheinlich.
»Stammen Sie selbst aus der Gemeinde Bråd?«, fragte er.
»Nein«, antwortete der Landjäger, »ich komme aus Leksan.«
»Ach so. Kannten Sie die Bråddjupet, bevor Sie dorthin gezogen sind?«
»Bevor ich in die Gemeinde Bråd gezogen bin?«
»Ja, vorher.«
»Nein. Ich kannte nicht einmal die Gemeinde, bevor ich hierher versetzt wurde. Meine Frau stammt aus Ludvika, sie kannte Bråd vom Namen her. Hatte davon gehört, war aber nie dort gewesen.«
»Kannte sie diese Klippe vorher?«
»Wohl kaum. Das kann ich mir nicht denken. Aber ich werde sie fragen.«
Stierna klappte seinen Notizblock zu und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Er hieß Cederin, der Mann, der sich ertränkt hat, nicht wahr?«
»Ja. Lars Cederin.«
»Und er hat im Sägewerk gearbeitet?«
»Seit über zwanzig Jahren hat er dort gearbeitet.«
»Und wenn er nicht gesprungen wäre, mit all den Ketten am Leib, dann hätten Sie den Wagen nie gefunden?«
»Nein.«
»Warum hat er sich ausgerechnet dort das Leben genommen?«
»Ich weiß es nicht. Ich nehme an, dass es ein idealer Platz ist, um sich zu ertränken.«
»Haben Sie schon mit seinen Angehörigen gesprochen?«
»Ich habe mit seiner Frau gesprochen.«
»Weiß sie, warum er ausgerechnet dort gesprungen ist?«
»Sie begreift nicht, warum er überhaupt gesprungen ist.«
Stierna stand von seinem Stuhl auf.
»Dann möchte ich mich erst einmal bedanken, Herr Landjäger.«
»Keine Ursache, Herr Kommissar. Werden Sie zu uns hochkommen?«
»Ja, morgen«, antwortete Stierna. »Dann erst einmal auf Wiederhören.«
»Auf Wiederhören, Herr Kommissar.«
Stierna legte auf und trat an das Fenster, das zur Straße zeigte. Es stand offen, und als er sich hinausbeugte, schlug ihm der Lärm der Stadt entgegen.
84
Der Zug hielt im Bahnhof. Rehn stieg als Erster aus. Stierna reichte ihm die beiden Reisetaschen, bevor er selbst ausstieg.
Das Bahnhofsgebäude war groß, aus roten Backsteinen, es schien überdimensioniert zu sein, als hätte es früher hier viel mehr Reisende gegeben; Stierna konnte aber nur schwer glauben, dass dem wirklich so war. Auf einer der beiden abgeblätterten Holzbänke vor dem Gebäude saß ein junges Paar. Vor ihm standen zwei große Koffer. Das Schild an der Fassade war dunkelblau, mit weißen Buchstaben.
Auf Reisen, weg von hier, dachte Stierna, als er das junge Paar gedankenverloren betrachtete. Vielleicht nach Stockholm, in die große Stadt.
Jetzt waren sie also in Ramberg. Vor knapp zehn Kilometern waren sie durch Ludvika gekommen.
Die Tür des Bahnhofsgebäudes öffnete sich. Zwei Männer in Uniform
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