Der Mann im Park: Roman (German Edition)
Butter. Und dann all die Ersatzstoffe, allein für Kaffee gab es mehr als hundert. Sie enthielten Kartoffeln, Eicheln, Kastanien und Rüben, alle schmeckten ziemlich gleich schlecht. Und dann war da der Mangel an Kleidung, was dazu führte, dass in Schweden so viel gestrickt wurde wie nie zuvor.
Es war die Zeit der Rationierung. Und der Bereitschaft. All die Hunderttausende von jungen Männern, die gezwungen wurden, eine Uniform anzuziehen. Falls der Russe käme. Falls der Deutsche käme. Die Männer, die Ulla Billquist in ihrem Lied »Min soldat« besang.
Es war außerdem die Zeit der Frauen. Frauen übernahmen Berufe, die früher für sie tabu gewesen waren, jetzt, nachdem so viele Männer an unbekannte Orte »irgendwo in Schweden« eingezogen worden waren. Im April letzten Jahres hatte der erste weibliche Postbote seinen Dienst angetreten. Weibliche Straßenbahnfahrer und Busfahrer waren inzwischen schon ein gewohnter Teil des Stadtbildes geworden. Haushaltshilfen sattelten um und begannen nun Lastwagen zu fahren oder beim Straßenbau zu arbeiten.
Eine Dreiviertelstunde später war er wieder auf der Straße.
Stierna ging die Hantverkargatan entlang. Fast wäre er mit einem Zeitungsboten zusammengestoßen, der zum Kungsholmstorg eilte.
Bald war er am Friedhof angekommen. Die Kungsholmener Kirche ragte hoch auf an der Bergsgatan. Hier gab es nicht so viele Grabsteine, sie waren weit verstreut auf der großen Rasenfläche.
Vor wenigen Nächten hatte er auf einer Parkbank auf einem anderen Friedhof gesessen, bei der Katarina-Kirche. Die Frühlingsluft war noch kühl gewesen, als er Maria Bengtsson wiedergetroffen hatte, die Frau, von der er geglaubt hatte, er würde sie nie wiedersehen. Er hatte die Begegnung in seinem Tagebuch festgehalten, sie fast wie ein Bühnenstück beschrieben.
Im Nachhinein erschien es ihm wie ein Omen, dass er Ingrids Mutter nur wenige Tage bevor sie den Wagen fanden, wiedergetroffen hatte.
Stierna ging zu dem schwarzen Metallgitter, das zur Parmmätargatan führte. Das Tor mit der Nummer sieben sah aus wie immer. Aber es war lange her, seit er durch dieses Tor hindurchgegangen und die weiße Marmortreppe hinaufgestiegen war.
Wieder musste er an den Wagen denken. Warum war er auf dem Land versenkt worden, zweihundertfünfzig Kilometer entfernt von dem Ort, wo er gestohlen worden war?
Eine halbe Stunde später saß er wieder in seinem Arbeitszimmer. Es war deutlich kleiner als das frühere, aber die Möbel waren immer noch dieselben. Wodurch es sehr eng hier drinnen war.
Stierna setzte sich an seinen Schreibtisch. Wie üblich war er aufgeräumt.
Er rief über das Haustelefon bei der Staatlichen Kriminaltechnischen Anstalt an, bat, mit Högstedt sprechen zu dürfen.
Er musste lange warten. Schließlich kam Högstedt atemlos an den Apparat.
»Högstedt.«
»Stierna hier. Habt ihr mit dem Wagen angefangen?«
»Ja.«
»Und, seid ihr schon weitergekommen?«
»Ein bisschen. Wir haben die Reifen mit den Gipsabdrücken der Reifenspuren vor der Djurgårdswerft 1928 verglichen. Sie stimmen überein. Sie stimmen perfekt überein mit dem Wagen, der jetzt hier bei uns steht.«
»Und der Rest?«, fragte Stierna weiter. »Das, was laut Sandquist im Wagen lag, die Pistole und das Magazin? Die Cognacflasche und der Anzug? Ist davon noch etwas im Wagen zu finden?«
»Nein«, antwortete Högstedt. »Und es ist auch nicht sehr überraschend, dass der Mörder die Sachen mitgenommen hat.«
»Stimmt. Und sonst? Gibt es noch Spuren von dem Mädchen da drinnen?«
»So weit sind wir noch nicht. Aber der Wagen hat lange im Wasser gelegen. Vieles ist davon zerstört worden.«
»Ruf mich an, wenn du mehr weißt.«
Stierna beendete das Gespräch. Der Zettel mit der Telefonnummer des Landjägers der Gemeinde Bråd lag auf seiner Schreibunterlage. Der Kommissar hatte bisher noch nicht mit ihm gesprochen, nur mit dem zuständigen Staatsanwalt in Ludvika.
Er nahm den Telefonhörer wieder auf, bat die Telefonistin, ihn mit Bråd 38 zu verbinden.
Nach dem zweiten Freizeichen antwortete eine Männerstimme. Es war eine singende, unüberhörbar Dalarna-Dialekt sprechende Stimme.
»Landjäger Linnell.«
»Guten Tag, Herr Landjäger. Hier spricht Kommissar Stierna aus Stockholm.«
»Guten Tag, Herr Kommissar. Haben Sie den Wagen bekommen?«
»Ja, er ist hier.«
»Gut, es war nicht so einfach, ihn aus dem Wasser zu kriegen. Der Kranwagen aus Ludvika war nicht wirklich geeignet dafür.«
Stierna schwieg
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