Der Mann im Park: Roman (German Edition)
Stierna. Er entschied sich für »Der große Edison« gleich um Viertel nach sieben, er hatte Spencer Tracy schon immer geschätzt.
Stierna nahm Mantel und Stock und verließ sein Arbeitszimmer.
Er trat auf den neuen Flur, denn die Abteilung für Gewaltverbrechen war Anfang 1939 umgezogen. In dieses triste Haus um die Ecke, Bergsgatan 48. Dieses nichtssagende Gebäude mit seinen Hunderten von Räumen. So nahe der alten Polizeiburg in der Agnegatan, und doch eine ganz andere Welt.
Rehn kam ihm entgegen, er trug einen grauen Anzug, weißes Hemd und einen schwarzen Schlips. Seine Haare wurden langsam grau, und sie waren nicht mehr so kurz wie früher. Rehn hatte sie länger wachsen lassen und kämmte sie nun mit einem Seitenscheitel. Doch sein Blick war noch genauso durchdringend wie früher.
»John.«
»Ja?«
»Ich habe dich schon gesucht«, sagte Rehn.
»Ach, ja?«
»Sie haben den Wagen gefunden, John.«
Stierna fragte nicht, um welchen Wagen es sich handelte. Das war nicht nötig.
83
Er hatte dafür gesorgt, dass er immer wieder neu aufgenommen wurde. Woche für Woche, Jahr für Jahr. Der Wagen wurde immer noch dort aufgeführt, in dem Abschnitt über gestohlenes und verschwundenes Eigentum. Seit fast dreizehn Jahren stand er im »Polizeibericht«.
Die Information über Ingrids Kettenanhänger stand auch dort, auch dafür hatte Stierna gesorgt. Doch das kleine Ferkel war immer noch verschwunden, war nie wieder aufgetaucht. Das Einzige, was sie hatten, war die Kopie.
Und jetzt hatten sie den Wagen plötzlich gefunden. Nicht auf einem Parkplatz oder in einer Seitengasse in Stockholm, sondern fast zweihundertfünfzig Kilometer entfernt, in dem See Bråden in Dalarna. In der Gemeinde Bråd, ein Stück von Ludvika entfernt. Es sah so aus, als hätte er schon lange dort gelegen.
Dreizehn Jahre, dachte Stierna. Wahrscheinlich war er bereits im Herbst 1928 im See versenkt worden, kurz nachdem Ingrid erschlagen worden war. Eigentlich war es nur logisch, dass der Mörder den Wagen so schnell wie möglich wieder hatte loswerden wollen.
Stierna trat auf die Bergsgatan 48. Dort war der Wagen jetzt, er stand im selben Haus, in der Staatlichen Kriminaltechnischen Anstalt, SKA. Er war von einem Kran aus Ludvika herausgeholt und dann mit einem Lastwagen nach Stockholm gebracht worden.
Die Staatliche Kriminaltechnische Anstalt war gegründet worden, als sie alle in die Bergsgatan zogen. Sie gehörte nicht zur Abteilung für Gewaltverbrechen, teilte sich aber mit ihr das Gebäude. Sie sollte für das ganze Land zuständig sein, die Polizeibehörden aus ganz Schweden schickten Beweismaterial hierher, damit die Experten einen Blick darauf werfen konnten. Außerdem waren alle unterschiedlichen Karteien hier untergebracht. Und der »Polizeibericht« wurde auch hier herausgegeben.
Högstedt war nicht zur SKA gegangen, obwohl ihm dort ein dickes Leitungsgehalt angeboten worden war. Er war in der eigenen technischen Abteilung der Kriminalpolizei geblieben, aber jetzt sollte er trotzdem die Untersuchung des Wagens leiten. Und Stierna wusste, warum: Karl Högstedt war immer noch der beste Mann für so eine Aufgabe.
Stierna beschleunigte seinen Schritt. Das riesige Steingebäude warf seine hohen Schatten. Es war Mittagszeit, auf der Bergsgatan herrschte reges Treiben. Eine neue Arbeitswoche hatte begonnen. Es war Montag, der 19. Mai 1941.
Der Kommissar kam am Rathaus vorbei und bog in die Scheelegatan ein, um sich dann nach links in die Hantverkargatan zu wenden.
»Mäster Anders« lag an der Kreuzung mit der Pipersgatan. Stierna drückte die Klinke der Eingangstür herunter und trat ein. Als er früher hier gewesen war, zusammen mit Lindberg, hatten sie immer in der Gaststube im Erdgeschoss gesessen. Aber jetzt entschied Stierna sich für das etwas bessere Restaurant eine Treppe höher.
Er bestellte sein Essen bei einer Bedienung mittleren Alters mit dunklem Kleid und weißer Schürze. Er hatte sie schon häufiger gesehen, sie schaute immer ziemlich mürrisch, aber ihr Auftreten war freundlich und nett.
Er nahm gepökelten Schinken mit Madeirasoße und Kartoffelkroketten. Trank Wasser zum Essen und einen Kaffee danach, obwohl ihm das fast peinlich war. Denn er musste an die Rationierung denken. Jedem wurde ein Pfund Kaffee für fünfzehn Wochen zugeteilt. Doch nicht nur der Kaffee war rationiert. Tee und Seife auch, was dazu geführt hatte, dass sich Krätze und Läuse verbreiteten wie nie zuvor. Kakao, Brot, Speck,
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