Der Mann im Park: Roman (German Edition)
lassen.«
»Oder er hat das Nummernschild ausgetauscht. Dann wird es schwieriger …«, überlegte Lydman.
»Aber wir haben die Reifenspuren, Högstedts Analyse.«
»Die kann er auch gewechselt haben.«
»Glaubst du, dass er so berechnend ist?«
»Nein. Aber es könnte sein.«
Lydman nahm einen Stift und klopfte damit auf die Schreibtischplatte.
»Da ist noch etwas anderes im Spiel«, sagte er, »etwas ganz Vertracktes.«
»Ja?«
»Es sieht so aus, als hätte der Dieb schon einen Tag vorher versucht, Sandquists Wagen zu stehlen. Es muss nicht derselbe Mann gewesen sein, aber er kann es gewesen sein.«
»Wie meinst du das?«
»John«, sagte Lydman, »es besteht die Möglichkeit, dass wir seinen Mantel haben.«
Stierna sah ihn verständnislos an.
35
Es war sieben Uhr abends, als Stierna sein Elternhaus in der Södermannagatan betrat. Pünktlich wie immer. Karolina trug den Blumenstrauß, er selbst hatte eine Zigarrenkiste in der Hand; die sollte sein Vater bekommen.
Seine Mutter öffnete die Tür. Das gleiche, etwas verlegene Lächeln wie immer. Die gleiche Frisur, das lange Haar zu einem Knoten im Nacken gebunden. Ihm fiel auf, dass sie alt wurde. Das braune Haar wurde langsam grau. Im Gesicht zeigten sich Falten.
»John und Karolina«, sagte sie fröhlich. »Herzlich willkommen.«
Karolina überreichte die Blumen.
»Bitte, Emilie.«
»Vielen, vielen Dank.«
Seine Mutter umarmte Karolina. Stierna küsste seine Mutter auf die Wange.
»Guten Abend, Mutter.«
Die Dreizimmerwohnung im ersten Stock hatte sich verändert, seit er vor vielen Jahren ausgezogen war. Das Einzige, was noch darauf hindeutete, dass hier einmal drei Jungs gewohnt hatten, waren all die eingerahmten Fotos im Wohnzimmer. Bilder von ihm und seinen Brüdern vom Kindergarten an bis zur Konfirmation. Es gab auch ein Foto von dem mittleren Bruder Erik in seiner Malerkleidung. Und ein Bild des Jüngsten, der fast nie nach Hause kam. Fredrik, winkend auf dem Amerikadampfer. Er hatte das Land vor fünf Jahren verlassen. Stierna hatte ihn seit seiner Abreise nicht mehr gesehen, aber ab und zu wechselten sie Briefe miteinander.
Über der Kommode hing ein großes Foto von ihm selbst, in Polizeiuniform aus der Zeit, als er noch ein gewöhnlicher Wachtmeister gewesen war, der durch Södermalms Straßen patrouillierte.
Sein Vater empfing die beiden im Wohnzimmer. In dunklem Anzug und weißem Hemd, das war sein einziger Anzug, und den trug er immer zu festlichen Anlässen.
Er schüttelte seinem Vater die Hand und überreichte die Zigarrenschachtel.
»Bitte schön, Vater.«
»Danke. Wie schön, euch zu sehen. Das letzte Mal ist auch schon wieder eine ganze Weile her.«
Karolina streckte ihm die Hand entgegen.
»Guten Abend, Edvin.«
»Guten Abend, Karolina.«
Sie setzten sich auf das grün gepolsterte Sofa. Der Vater stellte die Zigarrenkiste auf den Tisch.
»Die nehmen wir uns nach dem Essen vor«, sagte er.
Johns Mutter kam ins Zimmer.
»Erik hat sich verspätet«, sagte sie, »wahrscheinlich ist die Kleine krank, sodass Maud zu Hause bleiben muss.«
Erik erschien eine Viertelstunde später. Er war ein ganz anderer Typ als John. Sie waren zwar ungefähr gleich groß und hatten die gleiche Augenpartie, aber Erik war dünner und sah irgendwie jungenhaft aus, trotz seiner einunddreißig Jahre. Er war ziemlich unzuverlässig, kam häufig zu spät.
Erik war seit einigen Jahren verheiratet. Er arbeitete als Maler und hatte eine dreijährige Tochter. Erst seit er eine Familie gegründet hatte, nahm er das Leben etwas ernster.
Der Aperitif wurde im Wohnzimmer eingenommen. Das schwarze Klavier stand dort, wo es immer gestanden hatte, vor dem Fenster, das zur Straße hinaus zeigte.
Jetzt fehlt nur noch Fredrik, dann wäre die Familie komplett, dachte Stierna. Doch der Bruder würde nicht kommen. Im besten Fall würden sie sich im nächsten Sommer sehen. Er lebte in Amerika, und eine Schiffsfahrkarte war teuer.
Beim Essen fragten sie ihn nach dem Mord an Ingrid Bengtsson. Nicht nach Details, die wollten sie gar nicht wissen. Aber sie waren betroffen, auf diese abstrakte Art, wie es die Gesellschaft immer ist. Er erklärte ihnen, dass er überzeugt davon war, dass sie den Mörder finden würden.
Das Essen war gut, wie immer. Stierna kam in den Sinn, dass sie in seiner Kindheit immer zu essen und saubere und heile Kleidung gehabt hatten, auch wenn nicht viel Geld zur Verfügung gestanden hatte. Der Vater war sein Leben lang
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