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Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
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Straßenbahnfahrer gewesen, da gab es kein großes Gehalt. Aber irgendwie waren sie stets zurechtgekommen. Und John wusste, dass seine Mutter das größte Verdienst daran hatte. Er erinnerte sich daran, wie sie viele Nächte lang Kleider genäht hatte. Wie sie sich um die Finanzen der Familie gekümmert und dafür gesorgt hatte, dass die Söhne zur Schule gehen konnten. Wie sie nebenbei daheim gearbeitet hatte, meistens handelte es sich darum, Kartons für verschiedene Firmen zusammenzustecken, er konnte sich nicht mehr daran erinnern, um welche es sich gehandelt hatte. Aber auch auswärts hatte sie gearbeitet, für ein paar Stunden am Tag als Wäscherin. Eine kurze Zeit lang hatte sie nachts Zeitungen ausgetragen, doch das war auf Dauer nicht möglich gewesen, mit drei kleinen Söhnen, die morgens so früh aufwachten.
    John Stierna liebte seine Eltern. Er konnte sich nur an ein einziges Mal erinnern, als sie wirklich böse auf ihn gewesen waren. Damals war er zehn Jahre alt gewesen und hatte mit ein paar Freunden im Hammarby See gebadet. Er war mit großen schwarzen Fettflecken am Körper nach Hause gekommen. Das Wasser dort war von den Abwässern der Fabriken und Schlachtereien verschmutzt gewesen, und die Eltern hatten alles Recht der Welt gehabt, mit ihm zu schimpfen.
    Sonst hatten sie ihn eigentlich immer unterstützt. Sein Vater hatte ihm bei den Hausaufgaben geholfen. Obwohl er nie mehr als ein Straßenbahnfahrer geworden war, war er dennoch ein gebildeter Mann, der viel las und gerne Kreuzworträtsel löste. Offenbar war der Vater zufrieden mit seinem Beruf. Und warum auch nicht?
    Beim Essen stand Karolina im Mittelpunkt. Alle hatten sie gern, obwohl sie sich gar nicht anstrengte, gemocht zu werden. Vielleicht gerade deshalb.
    Nach dem Essen setzten sie sich ins Wohnzimmer. Der Vater bot Zigarren an, und Karolina unterhielt sich mit den Eltern. John saß neben seinem Bruder.
    »Schade, dass Fredrik nicht hier ist«, sagte Erik.
    »Ja«, stimmte John Stierna zu, »das ist schade.«
    »Schreibst du ihm eigentlich?«
    »Ab und zu.«
    »Und antwortet er dir?«
    »Ja. Schreibst du ihm auch?«
    »Ich versuche es«, gab Erik zurück. »Aber ich habe noch nie gut schreiben können, das weißt du ja. Trotzdem vermisse ich ihn.«
    »Ich auch.«
    »Was macht er jetzt eigentlich?«
    »Als ich das letzte Mal von ihm gehört habe, hat er als Tischler in Chicago gearbeitet, für einen anderen Schweden. Ich glaube, es gibt ziemlich viele Schweden dort.«
    Der Bruder streckte sich nach der Flasche Cognac auf dem Tisch.
    »Möchtest du noch?«
    John Stierna reichte ihm sein Glas.
    Der Alkohol hatte Erik nostalgisch gemacht.
    »Weißt du noch früher«, sagte er, »als du dich prügeln musstest, weil ich ein paar ältere Jungs in der Schule geärgert hatte?«
    Daran erinnerte John sich noch. Wie seine jüngeren Brüder mit Älteren in der Schule oder auf der Straße Streit angefangen hatten und dann zu ihm kamen, damit er ihnen half. Und nicht nur einmal. Das hatte er auch immer gemacht und dabei einmal sogar einen Eckzahn eingebüßt.
    Eine Weile später saß John Stierna am Klavier. In seiner Kindheit und Jugend hatte er oft gespielt, nachmittags und an den Wochenenden am Klavier gesessen und geübt. Er war der Einzige in der Familie, der musikalisch war. Seine Mutter hatte das Klavier günstig bei einer Auktion erstanden, bevor ihre Söhne in die Schule gekommen waren.
    Stierna spielte Grieg und Debussy.
    Dann machte er eine Pause, trank einen Schluck Cognac. Er wandte sich an Karolina.
    »Soll ich ›Ack Värmeland, du sköna‹ spielen? Und du singst dazu?«
    Karolina zuckte zusammen. Sie wusste, dass sie eine schöne Stimme hatte, aber sie sang nur ungern vor anderen.
    »Nein«, wehrte sie ab, »ich glaube nicht, dass …«
    »O doch, Karolina«, widersprach er. »Sing bitte, für Mutter, Vater und Erik.«
    Und schließlich kam sie seinem Wunsch nach. Es war ein widerwilliger, aber schöner Gesang.
    Gegen elf Uhr brachen sie auf. Der Regen prasselte an die Scheiben des Taxis.
    Sie fuhren an den Baracken der Götgatan vorbei. Die Behelfsheime aus dem Krieg mit ihren windschiefen Abtritten auf den Höfen sahen verkommener aus als je zuvor. Als Stierna noch auf Södermalm Patrouille gegangen war, waren sie mehrmals in der Woche dorthin gerufen worden, oft hatte es Streit unter Alkoholeinfluss gegeben. Und am Södra Bantorget fuhren sie an den verwahrlosten Hütten vorbei.
    Karolina war sauer auf Stierna.
    »Warum wolltest du

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