Der Mann im Park: Roman (German Edition)
mehr, wie er hieß. Dann tat er so, als wäre er ganz überrascht über ihre Antwort. Hatte ihr eingeredet, er würde den Mann kennen. Er wusste, er konnte sehr überzeugend wirken, hatte nie Probleme gehabt zu lügen. Auch nicht über einen Mann, dem er nie begegnet war. Er hatte ihr von ihm erzählt, sich so einige Geschichten zusammengesponnen. Er war von der Herausforderung getrieben worden, wollte sehen, wie weit er dieses Spiel treiben konnte. Manchmal konnte er wirklich hartnäckig sein.
An diesem letzten Abend hatte er ihr die Erdbeeren geschenkt. Sie waren mit dem Wagen in der Stadt herumgefahren. Als er gut hundert Meter vom Zollhaus in Norrtull anhielt, schlief sie bereits. Es hatte ihn verwundert, dass sie sich so sicher fühlte, dass sie einschlief. Je später es geschah, umso größer war für ihn die Chance, ungesehen davonzukommen.
Er wusste seit Langem, dass spätabends nur wenige Menschen in dieser Gegend unterwegs waren, und das erst recht an einem Sonntag. Das Risiko, gesehen zu werden, war gering.
Er hatte mehrere Stunden lang mit ausgeschalteten Scheinwerfern im Wagen gesessen. Ihrem Atem gelauscht. Die Tasche stand neben ihm. Sie enthielt alles, was er brauchte: Schlagstock, Seil, Kneifzange. Und noch andere Dinge. Trainingskleidung und Laufschuhe, ein Handtuch, denn er war im Laufe des Tages in Stadshagen gelaufen und hatte anschließend geduscht.
Während die Zeit verging, war er mit sich selbst zurate gegangen. Die Minuten verstrichen quälend langsam. Er spürte sein Gewissen, das wenige, was noch davon übrig war. Eine Weile war er kurz davor, sich anders zu entscheiden, hatte schon fast den Entschluss getroffen, sie gehen zu lassen. Aber er konnte sie einfach nicht laufen lassen. Und der Trieb war immer noch stark, der Trieb, einen anderen Menschen zu töten. Er wusste, woher dieser Drang stammte, nach allem, was er gesehen und erlebt hatte. Dieser Hass gegen das Leben an sich.
Wieder kam ihm das Haus am Meer in den Sinn, in dem er aufgewachsen war. Die Prügel seines Vaters, mit dem schwarzen Schlagstock, der in der Familie von einer Generation zur nächsten vererbt wurde. An seine verzweifelten Umwege, um die Schmerzen aufzuschieben, die das Ganze aber nur verschlimmert hatten. An seine Mutter, an das Heim, in dem Liebe nicht existierte. Das ihn zu einem seelischen Krüppel gemacht hatte, ihm das Gefühl vermittelte, nichts wert zu sein, und ihn un wiederbringlich an den Rand der Gesellschaft gezwungen hatte. Nie hatte er eine Chance gehabt.
Es war der Hass auf das Leben, der ihn dazu brachte, das Mädchen zu töten. Das war wichtiger gewesen als die Spannung, der Rausch, den er auch gesucht hatte. Die Ungerechtigkeit auf den Kopf zu stellen, die unser Herrgott geschaffen hatte. Jemanden zu töten, der das Gegenteil von dem war, was er selbst als Kind gewesen war: Ingrid war glücklich, sah voller Vertrauen in die Zukunft und fühlte sich geborgen. Er wollte das zerstören, was ihr wie selbstverständlich gegeben war.
Sie war gegen zwei Uhr nachts aufgewacht. Hatte gehustet und sich gestreckt. Er hatte die Unruhe in ihrem Blick bemerkt, die aufsteigende Angst. Er hatte sie beruhigt, ihr versichert, er werde sie nach Hause fahren, sie seien nur eine halbe Stunde weg gewesen. Aber vorher solle sie noch ihren Vater treffen.
Er hatte sich verschiedene Plätze während seiner Spaziergänge durch die Stadt angeschaut. Die Behausungen der Landstreicher unterhalb des Stadshagen. Die Gegend um das Schloss Karlberg. Fåfängan auf Södermalm. Lill-Jansskogen. Er war sogar draußen auf dem Järvafältet und beim Ulvsunda-Schloss gewesen, aber die Djurgårdswerft hatte ihm immer schon zugesagt. Sie war stillgelegt, die Menschen hatten sie anscheinend vollkommen vergessen. Wenn er das Mädchen dort tötete, würde es Jahre dauern, bis jemand es fände. Er hatte sich geirrt.
Er hatte den Wagen vor Gröna Lund abgestellt. Sicher, das war ein Risiko, jemand könnte die beiden dort sehen, aber er wollte ihr das Beste der Stadt zeigen, zumindest für ein Kind das Beste. Er wusste selbst nicht, warum er das Gefühl hatte, ihr das schuldig zu sein.
Sie waren ausgestiegen und hatten sich in der Dunkelheit ans Eingangstor gestellt. Sie aß die letzten Erdbeeren, die er ihr gegeben hatte.
Ingrid war noch nie hier gewesen. Nicht auf Gröna Lund und auch nicht auf dem Jahrmarkt gegenüber. Er hatte ihr von Gröna Lund erzählt. Von Babylon, dem lustigen Haus mit den merkwürdigen Spiegeln. Er hatte
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