Der Mann im Park: Roman (German Edition)
genügend Zeit.«
Er schaute auf die Uhr. Ja, sie hatten genügend Zeit, seine Arbeit war nicht dazwischengekommen. Dieses Mal nicht.
Er winkte einen Kellner heran und bekam die Speisekarte. Sie bestellten jeder ein Sandwich mit Frikadelle und Rotwein. Der Kellner verschwand, servierte bald darauf den Wein.
Stierna trank einen Schluck und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. So sollte das Leben sein, dachte er, so sollte es immer sein.
Sie unterhielten sich. Vor allem darüber, was an dem Tag geschehen war, auch wenn Stierna nicht zu viel von dem erzählen wollte, was er in dem Polizeigebäude hinter sich gelassen hatte. Nicht an diesem Abend.
Er holte sein Geschenk hervor und legte es vor sie auf den Tisch.
»Für dich«, sagte er nur.
»Wieso das?«
»Ich wollte dir einfach etwas schenken.«
Er hatte einen niedrigen Kerzenhalter aus Silber für sie gekauft. Sie mochte Kerzenlicht so gern, bei ihnen zu Hause brannten eigentlich immer Kerzen.
Sie löste die Schnur und öffnete die Schachtel. Als sie sah, was sich darin befand, lächelte sie.
»Danke, John. Ich werde ihn benutzen, wenn wir heute Abend nach Hause kommen.«
Sie kam nicht dazu zu erzählen, dass sie vor nur einer Viertelstunde Ernst Rolf gesehen hatte. Wenn er es gewesen war. Das würde sie ihm erzählen, wenn sie zu Hause waren.
50
Seit fast einem Monat hatte Stierna die morgendliche Besprechung schon nicht mehr geleitet. Wallbom hatte übernommen, aber es war nicht Wallbom, der an diesem Tag vorne im Konferenzraum stand. Es war nicht Wallbom, der den »Polizeibericht« des Tages durchging. Nicht er erklärte, nach welchen gesuchten Personen sie fahnden sollten, nicht er besprach die laufenden Ermittlungen. Wallbom war auf Lidingö und damit beschäftigt, den Fall mit der Sprengung des Geldschranks zu klären. Die Ermittlungen verliefen zäh.
Lydman leitete heute die Sitzung. Er leitete die Fahndungen, er sollte eine Art umfassenden Überblick über alle Aktivitäten haben. Er sollte die Aufgaben verteilen. Wallbom vertreten, bis dieser zurück war. Stierna fragte sich, warum nicht Lydman sich um den Fall mit dem Geldschrankraub kümmerte, schließlich kannte er doch die Diebe und Geldschrankknacker am besten. Aber vielleicht war das eine politische Entscheidung. Schwagerpolitik, denn der gesprengte Geldschrank auf Lidingö hatte hohe Priorität, erregte viel Aufsehen.
Wenn der Fall Ingrid abgeschlossen war, würde er selbst, Kommissar John Stierna, wieder dort in dem großen Konferenzsaal vorne stehen. An der Spitze der Abteilung für Gewaltverbrechen. Er würde wieder seine Position als Fahndungsleiter übernehmen, die viel Kraft erforderte, die aber alle haben wollten. Er wusste nicht, ob das für ihn eigentlich eine Rolle spielte. Ob das wirklich so wichtig war.
Eigentlich war Lydman für diese Arbeit besser geeignet als Wallbom, dachte Stierna. In erster Linie sind es doch Diebe, denen wir nachlaufen. Diebesgut, das wir suchen. Aber Lydman war nicht mit der Tochter des Polizeipräsidenten verheiratet.
Stierna ging in sein Zimmer, setzte sich hinter den Schreibtisch, legte die Beine auf die Tischplatte.
Auch wenn er nichts vorzutragen gehabt hatte, so hatte Stierna doch an diesem Morgen im Konferenzsaal die Truppen organisiert. Hatte vierzehn Mann in die Stockholmer Innenstadt abkommandiert. Einige auch in die Randgebiete. Vierzehn Polizeibeamte, die nach einem Mann suchten, der Sammelbilder gekauft hatte. Sie hatten Informationen über vier Frauen, die welche gekauft hatten. Wahrscheinlich für ihre Kinder oder Enkelkinder. Zwei waren bereits identifiziert.
Es gab Informationen über zehn Männer, die Bilder gekauft hatten. Die Hälfte war inzwischen bekannt. Drei hatten sie für ihre Kinder oder Enkelkinder oder andere Verwandte gekauft. Zwei, Per Johansson, ein neunzehnjähriger Grubenarbeiter aus Södermalm, und Arne Abrahamsson, ein achtzehnjähriger Laufbursche aus Kungsholmen, hatten angegeben, dass sie die Bilder für sich gekauft hatten.
Die Beamten hatten alle Männer näher unter die Lupe genommen, aber bis jetzt hatte nichts dafür gesprochen, dass sie irgendetwas mit dem Mord an Ingrid Bengtsson zu tun hatten.
Er nahm die Füße vom Tisch und reckte sich nach dem Haustelefon. Rehn antwortete nach dem dritten Freizeichen. Er klang wie immer, dienstbereit, aber dennoch mit einer gewissen Distanz.
Stierna legte den Hörer auf und erhob sich. Er war an diesem Morgen später gekommen. Eine Viertelstunde, höchstens
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