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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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allein wegen Perlinis Hintergrund. Wie Sie vielleicht noch wissen, war sein ganzes Haus mit den Fotos kleiner Mädchen tapeziert, unter anderem auch mit Audreys.«
    Er nickte zustimmend, schwieg sich aber aus.
    »Und Sie waren clever genug, keine Informationen über Ihren Klienten preiszugeben.«
    Immer noch nickend, stahl sich nun ein Lächeln auf sein Gesicht. Offensichtlich erinnerte er sich wieder an die Details, wenn das nicht längst geschehen war.
    »Also konzentrierten sich die Cops sofort auf ihn, aber er packte nicht aus. Ich kann mir vorstellen, Reggie, dass die Polizei unter Umständen den Falschen erwischt hat.«
    »Soll vorkommen.«
    Nur einer von uns fand Vergnügen an dieser Unterhaltung. Aber ich musste sein Katz- und Mausspiel mitspielen, denn wenn ein Schwarzer Karriere als Strafverteidiger macht, dann nicht, weil er sich gern von anderen herumschubsen lässt. »Hören Sie, ich bitte Sie ja nicht, mir irgendwelche vertraulichen Dinge zu offenbaren. Wie wäre es, wenn Sie mich einfach unterbrechen, wenn ich richtigliege?«
    Er gluckste leise. Er hielt nicht viel von mir und gab sich keine Mühe, das zu verbergen.
    »Audrey Cutler war meine Nachbarin«, sagte ich. »Ein wirklich süßes kleines Mädchen. Ich habe Grund zu der Annahme, dass Griffin Perlini möglicherweise nicht ihr Mörder ist. Aber wenn er es nicht war, dann muss ich den wahren Täter aufspüren. Sie verdient Gerechtigkeit, finden Sie nicht?«
    »Gerechtigkeit. Gerechtigkeit.« Sein Lächeln verschwand.
Sein zerfurchtes Gesicht hatte schon viel mehr gesehen als ich, und es gab nicht viel von seinen innersten Regungen preis. Ich ahnte, dass er selbst einen tiefen Sinn für Gerechtigkeit besaß. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie er genau beschaffen war, und hoffte, ich würde es nie herausfinden müssen.
    »Vor gar nicht langer Zeit«, sagte er, »sorgte ein Staatsanwalt namens Jason Kolarich dafür, dass ein Mann namens Walter Tucker wegen Mordes verurteilt wurde.«
    Ich dachte einen Augenblick nach. »Ein Einkaufszentrum«, erinnerte ich mich. »Ein Tenth-Street-Verbrechen.« Als Initiationsritus für die Tenth Street Crew hatte Walter Tucker vor einem Einkaufszentrum einen Teenager erschossen. Der Jugendliche hatte den Fehler begangen, die Gang verlassen zu wollen.
    »Ich kannte die Familie«, sagte er. »Gute Menschen.«
    Ich antwortete nicht. Dieses Spiel konnte ich nicht gewinnen.
    »Wie Sie sich vielleicht erinnern, hat George Ryder die Verteidigung übernommen. Er bot Mord im minder schweren Fall und zwanzig Jahre an. Aber Jason Kolarich lehnte ab und zog mit einem Augenzeugen und einer zweifelhaften Tatwaf fe vor Gericht.«
    Und ich hatte gewonnen. Ich wusste, was er dachte, ohne dass er es aussprach: Ein weißer Junge identifiziert einen schwarzen, der natürlich von der Jury verurteilt wird. Das bekam man immer wieder zu hören. Und vermutlich war sogar was dran, zumindest in manchen Fällen. Aber ich hatte nie jemanden angeklagt, wenn ich nicht von seiner Schuld überzeugt war. Das machte es relativ einfach für mich.
    »George hat gemeint, Sie seien fair gewesen. Verflucht hart,
aber fair.« Er hob die Faust vor den Mund und stieß ein hässliches Husten aus. Das schien ihn vom Thema abzubringen. »Okay, Jason Kolarich, wie lautet deren Theorie? Was denken die smarten Cops im zweiten Bezirk über das Verschwinden von Audrey Cutler?«
    Ich fühlte mich wie ein Schüler, der ausgefragt wurde, trotzdem spielte ich mit. »Perlini hat Audrey Cutler aus ihrem Bett entführt, er hat sie geschnappt und ist weggerannt. Dann ist er zu seinem Haus oder seinem Wagen, hat seinen Spaß mit ihr gehabt und hat anschließend die Leiche entsorgt.«
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Geschnappt und weggerannt«, wiederholte er, »gerannt.«
    Die Art, wie er das letzte Wort betonte, brachte endlich den Knoten in meinem Kopf zum Platzen. Mein Körper wurde eiskalt. Ich fühlte, wie ich die Hände hob, um meine Augen zu bedecken.
    »Und«, sagte Lionel. »Haben die Cops ihre Hausaufgaben gemacht, Jason Kolarich?«
    Ein Stöhnen drang aus meiner Kehle. Nein, das hatten sie definitiv nicht.
    »Aber Sie, richtig, Herr Anwalt?«
    Ja, das hatte ich. Allerdings erst zwanzig Jahre später, nach dem Tod Griffin Perlinis. Bei meinem Gespräch mit seiner Mutter drohte Griffin keine Mordklage mehr, die so gut wie jeden dazu bringt, den Mund zu halten und zu beten, dass die Polizei nicht eins und

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