Der Mann im Schatten - Thriller
wandte mich dem Aktenstapel in der Ecke meines Büros zu und widmete mich den alten Ermittlungsunterlagen im Fall Audrey Cutler. Wenn es noch einen Zweifel gegeben hatte, dass Smiths mysteriöser Klient Audrey und die anderen Mädchen getötet hatte, dann war er jetzt endgültig ausgeräumt.
Ich versuchte, mich auf die Akten zu konzentrieren, und verdrängte dabei jeden Gedanken an Pete und das, was sie ihm jetzt möglicherweise antaten. Als die Gegensprechanlage summte, sprang ich aus meiner sitzenden Position auf dem Boden kerzengerade auf, was das Ausmaß meiner Nervenanspannung offenbarte.
»Mr Smith für Sie auf der 4407. «
Ich drückte den leuchtenden Knopf, ohne etwas zu sagen.
»Ihr Bruder lebt«, erklärte Smith. »Ob das so bleibt, liegt ganz bei Ihnen.«
Ich schwieg.
»Ziehen Sie diesen Antrag zurück. Vergessen Sie die DNA-Tests und den Prozessaufschub. Benutzen Sie den Kerl, den wir Ihnen geliefert haben, Sanders, und halten Sie sich an den gottverdammten Fahrplan.«
Ich holte tief Luft, und dann noch einmal, bevor ich ihm dieselbe Antwort gab wie kürzlich Pater Ben. »Ansonsten?«
»Was meinen Sie mit ›ansonsten‹? Sie wissen sehr genau, was sonst passiert.«
»Mein Bruder könnte ebenso gut bereits tot sein. Sie werden ihn nie wieder gehen lassen.«
»Sie werden darauf vertrauen müssen, dass wir es tun«, sagte er. »Was bleibt Ihnen anderes übrig?«
Ich konnte das durchziehen. Wenn es eine Sache gab, die ich in meiner Kindheit gelernt hatte, dann, den Harten zu markieren, während ich mir in Wahrheit vor Angst in die Hosen schiss. Dieser Kerl hatte meinen Bruder und mich bei den Eiern, aber ich brachte es irgendwie fertig, meiner Stimme einen festen Klang zu geben und den Hartgesottenen zu mimen. Ich hatte gar keine andere Wahl.
»Die Alternative ist, dass ich Sie endlich für Ihre Schweinereien bezahlen lasse, und zwar von morgen an. Die Richterin wird meinem Antrag auf DNA-Tests stattgeben. Wir beide wissen das.«
Er schwieg einen Augenblick. Ich hatte ihn zum Nachdenken gezwungen.
»Lassen Sie Pete jetzt frei«, setzte ich nach, »und ich ziehe den Antrag zurück. Das ist Ihre einzige Option.«
»Hey, Arschloch, ich bin hier derjenige mit den Optionen.
Sie haben ja keine Ahnung, wie ich meine Jungs hier zurückhalten muss, damit sie Ihren Bruder nicht filetieren. Die sind ganz scharf drauf, ihm mit dem Rasiermesser zu Leibe zu rücken.«
Ich schloss die Augen, schob die hochquellenden Bilder beiseite. Ich hatte das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, panisch zu werden, ausgerechnet in einem Moment, wo absolute Selbstbeherrschung erforderlich war. Ich begann am ganzen Körper zu zittern. Mein Bruder war in ihren Händen, und es gab nichts, was ich dagegen unternehmen konnte. Ich wollte auf der Stelle kapitulieren, klein beigeben, auf die Tests verzichten, alles tun, was sie verlangten, solange nur Pete freikam. Aber was ich zu Smith gesagt hatte, traf zu: Sie würden ihn niemals gehen lassen. Jetzt nicht mehr. Mein kleines Pokerspiel war voll nach hinten losgegangen.
»Meine Jungs haben mir versichert, dass von morgen an jeden Tag ein Finger fällig ist, bis sie zufrieden mit Ihrem Verhalten sind. Ich kann es nicht stoppen, Jason. Nur Sie können es.«
Zeit verstrich, mir erschien es wie eine Stunde, obwohl es in Wahrheit nur Minuten waren. Wir verharrten beide in Stille, bis auf unseren schweren Atem. Ich war nicht der Einzige, der Angst hatte. Ich konnte es an Smiths Stimme hören. Wir hatten das Spiel zu weit getrieben, über den Punkt hinaus, an dem eine Umkehr möglich war. Keiner von uns hatte noch Spaß an dieser Sache.
»Okay, Smith, das ist ein einmaliges Angebot«, sagte ich. »Hören Sie?«
Ich wusste, er hörte zu. Er war ein waidwundes Tier, genau wie ich. Egal, wie heftig er mich in der Mangel hatte, ich hatte mich fest in ihn verbissen.
»Meine Anhörung ist morgen um eins. Das lässt Ihnen ein knappes Zeitfenster, um meinen Anweisungen zu folgen. Ich will unterschriebene, eidesstattliche Erklärungen von den Leuten, die geholfen haben, Pete in die Falle zu locken. Ich weiß, einer von ihnen ist sein Dealer, J.D. Keine Ahnung, wer der andere ist.«
Ich wusste es natürlich, es war Marcus Mason, der berühmtberüchtigte »Mace«. Joel Lightner hatte mich mit einer ziemlich umfangreichen Akte über diesen Herrn versorgt. Aber das brauchte ich Smith nicht auf die Nase zu binden.
»J.D. und der andere Kerl«, fuhr ich fort. »In den eidesstattlichen
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