Der Mann im Schatten - Thriller
bleiben uns vom Leib, Smith, dann bleiben wir Ihnen auch vom Leib.« Er machte einen weiteren Schritt auf Smith zu, der ängstlich zusammenzuckte. »Ich möchte nicht, dass mein Bruder sich je wieder Sorgen wegen Ihnen zu machen braucht.«
»Das... das beruht ganz auf Gegenseitigkeit«, murmelte Smith.
Kolarich ließ seinen Blick über die Szenerie wandern. »Gut, Raymond. Ich wollte, ich könnte sagen, es war mir ein Vergnügen.«
»Es ist ganz sicher ein Vergnügen... wenn all das endlich vorüber ist«, sagte Smith. Er berührte erneut seinen Kiefer und fühlte sich benommen. Alles um ihn herum begann sich zu drehen, er drohte das Bewusstsein zu verlieren, kämpfte aber dagegen an. Schließlich riss er sich zusammen und spähte zurück zur Tür. Jason Kolarich war verschwunden.
62
Sammy ging langsam den Flur hinunter, ein Mantel über seinen Handgelenken verbarg die Handschellen darunter. Menschen starrten ihn neugierig an. Er war eine Berühmtheit. Seine Story war in den Medien ausgiebig breitgetreten worden. Da er solche Popularität nicht gewohnt war, hatte er mit verhaltenem Schweigen reagiert, hatte sämtliche Anfragen nach Interviews abgelehnt und nirgendwo einen Kommentar abgegeben. Trotzdem hatte irgendjemand den heutigen Termin an die Presse durchsickern lassen, und die Medien umlagerten das Krankenhaus. St. Agnes hatte spezielle Vorkehrungen für seine Ankunft getroffen, und man eskortierte ihn vom Bus der Strafanstalt direkt zu einem für Ärzte reservierten Lift, der ihn hinauf in den sechsten Stock brachte.
Sammy, die beiden bewaffneten Deputies und ich blieben vor dem Krankenzimmer stehen. Die Deputies nahmen ihm die Handschellen ab, Teil einer Vereinbarung, die ich vorher mit der Gefängnisverwaltung getroffen hatte. Sammy wandte sich nach mir um, als suchte er meinen Rat.
»Sie ist deine Schwester«, sagte ich.
Er nickte und blickte zur Tür. »Kommst du mit rein, Koke?«
Ich folgte ihm in das Zimmer, während er an ihr Bett trat. Bewegungslos stand er da, und eine gefühlte Ewigkeit verging. Er sprach kein Wort. Was er da vor sich sah, war eine schwerkranke Frau, die nicht mehr lange zu leben hatte. Die Dialyse hielt sie am Leben, aber bald würde auch dieses Mittel versagen.
Aber er sah auch seine Schwester wieder, das erste Mal seit über achtundzwanzig Jahren.
Er zog einen Stuhl heran, setzte sich und legte seine zitternden Hände in den Schoß. »Hi«, sagte er unsicher. Dann beugte er sich hinab zu ihrem Ohr. »Hi, Patricia.«
Ich zuckte zusammen. Sammy nannte seine Schwester bei dem Namen, den sie fast ihr ganzes Leben lang getragen hatte. Dem Namen, den die Butchers ihr gegeben hatten. Wenn sie die Nierentransplantation überlebte, hatte sie noch genug Zeit, um die wahre Geschichte zu erfahren. Doch im Moment war sie immer noch Patricia.
»Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst«, flüsterte er. »Das wird dir jetzt vermutlich nicht viel sagen, aber ich hab dich vermisst. Ich habe immer an dich gedacht...«
Sofort waren die Gefühle da, schnürten ihm die Kehle zu. Seine Brust zuckte. Tränen liefen ihm über die Wangen. Er berührte ihre Hand, nahm sie in seine, streichelte sie. »Du
bist in Sicherheit... jetzt bist du in Sicherheit«, flüsterte er. »Alles wird gut.«
»Strafe bereits verbüßt«, erklärte ich. »Erstens, er hat es nicht getan. Zweitens, wir sollten den armen Kerl endlich Zeit mit seiner Schwester verbringen lassen.«
Richterin Kathleen Poker, die in einem Ledersessel mit hoher Rückenlehne thronte, schien meinem Plädoyer nicht abgeneigt, besonders angesichts des jüngsten Medieninteresses an dem Fall. Sammy wurde in gutem Licht dargestellt, und keiner weinte einem Kinderschänder nach, der vier Kinder ermordet und noch viel mehr missbraucht hatte. Dies war ein weiterer Nutzen des Medienrummels in den letzten zehn Tagen - die State Police hatte die DNA-Tests beschleunigt und bestätigt, dass Griffin Perlini alle vier Mädchen vergewaltigt hatte, die hinter der Hardigan-Grundschule begraben gewesen waren.
Ich hatte einen Kindermörder als Opfer und einen vom Schicksal hart gestraften Mann, der erst kürzlich mit seiner entführten Schwester wiedervereint worden war, als Mandanten.
Die Richterin faltete die Hände und legte sie an die Lippen. »Gut. Ich stelle fest, dass die Verteidigung nicht auf verminderte Schuldfähigkeit plädiert hat. Ihr Klient beharrt weiter auf seiner Unschuld?«
»Ja, Euer Ehren. Tatsache ist, wir glauben sogar zu
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