Der Mann im Schatten - Thriller
Wut.
Superstar, begrüßt er dich.
Du verringerst rasch die Distanz zwischen euch, und es wird klar, dass er weiß, wieso du hier bist. Er macht einen Schritt zurück, zieht die Schultern zusammen, ein stolzer Mann, der es nicht gewohnt ist, vor seinen Söhnen zurückzuweichen,
dem aber in dieser Situation seine physischen Nachteile deutlich bewusstwerden. Du hast die Größe und den kräftigen Körperbau der Familie deiner Mutter geerbt. Du hast deinem Vater gute zehn Zentimeter und dreißig Kilo voraus.
Geh zurück in die Schule, sagt er, während du ausholst und deine Faust seine Schläfe streift. Ein Fehlschlag, der dennoch genügend Schwung besitzt, um ihn aus dem Gleichwicht zu reißen. Er stürzt auf den Kofferraum seines Wagens, hebt schützend die Arme, du holst erneut aus und deine Fäuste regnen auf ihn nieder, bis er seitlich vom Kofferraumdeckel rutscht und zu Boden stürzt. Du wirfst ihn herum und setzt deinen Angriff fort. Blut spritzt aus seinem Gesicht, deine Wut erreicht ihren Höhepunkt. Tränen strömen dir über die Wangen, während du auf deinen Vater einprügelst, bis seine Schreie verstummen, er kaum noch bei Bewusstsein ist, sein Gesicht verquollen und blutrot leuchtet, ein Farbton, der bald in Lila übergehen wird.
Nie wieder, Jack, sagst du . Oder ich bring dich um.
Pete und ich besorgten uns bei einem Drive-In ein paar Burger und fuhren dann zu seinem Apartment, wo er ein paar Wechselklamotten und Waschkram zusammenpackte. Wir hatten vereinbart, dass Pete die nächsten Tage erst mal bei mir wohnen sollte. Ich verspürte das Bedürfnis, ihn in meiner Nähe zu haben.
Ich fuhr ihn in mein Haus und riet ihm, eine Dusche zu nehmen und ein wenig zu schlafen, bevor wir redeten.
Er sei reingelegt worden, hatte er mir erklärt. Diese Art Geschichten hört man häufig von Mandanten. Normalerweise stellen sie alles als ein großes Missverständnis dar, aber manchmal versteigen sie sich in ihrer Paranoia auch zu der Behauptung,
die Polizei hätte ihnen absichtlich eine Falle gestellt. Als hätte irgendjemand die Zeit oder das Interesse, einem bescheuerten Kleinganoven etwas anzuhängen.
Dennoch beobachtete ich Pete aufmerksam, nachdem ich ihn im Polizeirevier abgeholt hatte, bis er bei mir zu Hause seine Kleider in den Korb mit der Schmutzwäsche warf und unter die Dusche stieg. Wenn er tatsächlich süchtig war, dann musste er jetzt einen »Drogenkoller« kriegen, wie es die Gefängniswärter nannten. Er musste eindeutige Entzugserscheinungen zeigen. Ihm wäre übel, er würde zittern oder unter Krämpfen leiden. Doch Pete war zwar mitgenommen von den Strapazen der letzten Stunden, und er hatte eindeutig Angst, aber er wies keinerlei Entzugssymptome auf.
Mein Bauchgefühl sagte mir, dass Pete kein Süchtiger war, und das bedeutete für mich den ersten Riss im Fundament der gegen ihn geäußerten Anschuldigungen. Denn falls er nur gelegentlicher Konsument war, hieß das, er hätte dieses Verbrechen nicht aus reiner Verzweiflung begangen, sondern bewusst und gezielt, und das schien mir einfach nicht Petes Kragenweite.
Ich saß auf dem Wohnzimmersofa, den Kopf gegen die Kissen gelehnt, starrte an die Decke und versuchte, mir ein Bild von der Situation zu machen. Wenn es schon mal Scheiße regnete, dann aber gleich knüppeldick. Durch Sammys Fall und seinen mysteriösen Wohltäter war ich bereits bis über beide Ohren ausgelastet. Und jetzt hatte sich auch noch mein kleiner Bruder in Schwierigkeiten gebracht. In höllische Schwierigkeiten. Ich hatte keine Ahnung, ob ich in der Lage war, das alles zu bewältigen.
Ich hörte Pete die Treppe herunterkommen. Barfuß und in Trainingsklamotten trat er ins Wohnzimmer, das Haar noch
nass, aber ordentlich gekämmt, und er roch wieder frisch und sauber.
»Du musst schlafen«, sagte ich.
»Nein, ich muss dir erzählen, wie sie mich reingelegt haben.« Er setzte sich in den weichen, braunen Ledersessel, den Talia mir zugestanden hatte, obwohl er nicht besonders gut zur einheitlich grün-gelben Dekoration des Raums passte. Aber es war nun mal der beste Platz auf dem Planeten, um ein College-Footballspiel zu verfolgen.
Ich stützte die Ellbogen auf die Knie. »Dann beginn mit dem Anfang«, sagte ich.
»Ich weiß, ich bin ein Idiot. Ich wollte mir ein bisschen Koks besorgen. Der gleiche Typ, von dem ich immer kaufe.« Er unterbrach sich - offensichtlich hatte er mit dem Wörtchen immer mehr verraten, als eigentlich geplant.
»Erzähl weiter«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher