Der Mann im Schatten - Thriller
gesehen, alle sechs deines Freshman-Jahrs und die vier bisherigen deines Sophomore-Jahrs.
Alles okay?, fragst du ihn, obwohl du genau weißt, dass er darauf nichts erwidern wird. Und ein flaues Gefühl macht sich in dir breit, weil du ahnst, wie die Antwort lautet.
Ich schreib eben einen verfluchten Test, mach doch nicht so ein Riesending draus, schnappt er.
Du hakst nicht weiter nach. Du weißt nicht - du kannst nicht wissen -, wie es zu Hause für ihn läuft, jetzt, wo du ausgezogen bist. Und du hast dich auch nicht danach erkundigt, denn er würde sich ohnehin nur in Schweigen hüllen. Pete hat das schon immer mit sich allein abgemacht.
Eure Unterhaltung verfolgt dich den ganzen Freitag und Samstag über, sogar noch während des Spiels, bei dem du immer wieder zu den Tribünen hochschaust, die ohne ihn verlassen wirken.
Das Spiel, das am Nachmittag beginnt, läuft gut. Du erzielst zwar keine Punkte, fängst aber neun schwierige Pässe über einhundert Yards. Danach kommt dein bester Moment, nicht mal ein Passspielzug, sondern eine einfache Übergabe im Laufen. Du schlägst mit dem Leder einen Haken und stürmst geradewegs auf den Middle Linebacker zu, der gerade nach links trottet. Du spürst, wie du mit zunehmender Geschwindigkeit an Energie gewinnst. Jetzt willst du es wissen.
Und als der Verteidiger dich entdeckt, ist es bereits zu spät. Du rammst ihn, die Oberseite deines Helms knallt gegen die Unterkante seines Gesichtsschutzes, und deine Schulterpolster donnern gegen seine Brust. Du reißt ihn von den Füßen, schmetterst ihn rücklings zu Boden. Dann wirfst du dich mit voller Wucht auf ihn, bist aber noch lange nicht fertig mit ihm. Deine Füße stemmen sich weiter in den Boden, und dein Helm presst seinen Gesichtsschutz nach oben, bist du ihm das Ding fast vom Kopf reißt. Er stößt dich weg, und du donnerst deine Faust mitten in seinen Gesichtsschutz. Die Pfeife schrillt, aber du prügelst weiter auf ihn ein, bis dich jemand packt und hochzieht.
Was zum Teufel soll das, Kolarich?, brüllt dich ein Mitspieler an, während der Schiedsrichter mit der gelben Flagge winkt und dabei auf dich zeigt. Fünfzehn Yards Strafe für ein Foul, weitere fünfzehn für unsportliches Verhalten, außerdem wirst du vom Platz gestellt. An der Seitenlinie tobt der Coach, aber du ignorierst ihn. Marschierst geradewegs an ihm und deinen Mannschaftskameraden vorbei und vom Spielfeld.
In der Umkleide reißt du dir die Schulterpolster herunter und duschst dich nicht mal. Du stampfst zu deinem Wagen auf dem Parkplatz vor dem Studentenwohnheim, ein heruntergekommener alter Ford, und fährst die hundertzwanzig Kilometer nach Hause. Als du dort ankommst, scheint euer Haus verlassen. Beide Autos sind weg. Pete!, rufst du. Er tritt aus seinem Raum, überrascht, dich zu hier sehen, immer noch im Trikot und mit der schwarzen Farbe unter den Augen.
Was ist los?, fragt er, bevor ihm dämmert, was los ist. Sofort dreht er seinen Kopf nach links, aber du hast das Veilchen schon registriert, ein fetter Bluterguss unter seinem linken Auge.
Hat er das getan?, willst du wissen.
Nein, ich... ich bin gefallen...
Diese Lüge macht die Sache nur noch schlimmer, dieser hilflose Versuch, den prügelnden Vater zu decken. Du spürst, Pete wird nicht nur körperlich misshandelt, sondern auch seelisch. Du verlässt das Haus, gehst zu deinem Wagen zurück und fährst los. Du hast keine Ahnung, wo Jack steckt. Er kann bei der Arbeit sein oder mit irgendwelchen Gaunereien beschäftigt, aber er hat ein paar Stammkneipen, und vor einer von ihnen entdeckst du schließlich seinen Wagen, eine Kaschemme am Rand des Highways, die zu allem Überfluss auch noch »Pete’s« heißt.
Du wartest. Er wird dort nicht ewig bleiben. Nicht weil er genug vom Trinken hat, sondern weil ihm das Geld ausgeht.
Um zehn Uhr kommt er schließlich herausgestolpert. Er ist in Begleitung eines anderen Typen, aber die beiden trennen sich nach wenigen Schritten. Jack Kolarich wankt über den gekiesten Parkplatz, ohne dich zu bemerken. Als er seinen Chevy erreicht, bleibt er stehen, er dreht sich um, als würde er deine Präsenz spüren, und späht in den Schatten, vier Wagen weiter. In der Dunkelheit kneift er die Augen zusammen und starrt dich an, als wärst du ein Geist.
Du gehst langsam auf ihn zu, beobachtest, wie sein Gesicht mehrfach rasch den Ausdruck wechselt, von Überraschung über Wut zu Wiedererkennen und schließlich zurück zu Wut. Wie üblich zurück zu
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