Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
ihn.
    Trotzdem fiel es mir schwer, mich auf Sammys Fall zu konzentrieren. Die Sorge um meinen Bruder überschattete alles andere. Dabei gab es im Augenblick nichts, was ich für Pete tun konnte. Ich wusste rein gar nichts über seinen Fall. Pete hatte mir erzählt, er sei gemeinsam mit zwei anderen geschnappt worden, und einer der beiden sei entkommen. Doch der Dritte im Bunde saß nicht mit Pete in der Zelle, was mich stutzen ließ.
    Und was hatte dieser Cop DePrizio gesagt? In vier Stunden hab ich wieder Dienst.
    Ich begab mich frühzeitig ins Kautionsgericht, um schon
mal mit den Staatsanwälten Kontakt aufzunehmen. Der Gerichtssaal war noch ziemlich leer und der Richter abwesend, also zog ich einen jungen Staatsanwalt namens Warren beiseite, um ihm eine niedrige Kaution schmackhaft zu machen. Geduldig lauschte er meinen Ausführungen, bei denen ich es nicht versäumte, meine guten Beziehungen zur Staatsanwaltschaft zu betonen, bis er irgendwann verkündete, er könne unmöglich unter Hunderttausend gehen. Ich war nicht sonderlich überrascht. Hier waren zu viele Waffen und zu viel Crack im Spiel, um billiger davonzukommen. Das hieß, ich würde etwa Zehntausend hinterlegen müssen. Ich hatte ausreichend Geld auf mein Girokonto transferiert, um diesen Betrag abzudecken, und notfalls auch mehr.
    Als der Richter schließlich seinen Platz einnahm, war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt mit Familienangehörigen, die auf so genannte I-Bonds hofften - erleichterte Kautionsbedingungen, bei denen ein Angeklagter gegen sein Ehrenwort oder eine geringe Kautionszahlung entlassen wird. Der Richter eröffnete die Sitzung ohne großes Tamtam und den üblichen Ordnungsaufruf des Gerichtsdieners. Der Ehrenwerte Alexander Lotus - genannt Lex Lotus - war ein Ex-Staatsanwalt, den man im Zuge der letzten Wahlen auf den Richterstuhl befördert hatte. Er war etwa in meinem Alter, aber schon leicht ergraut. Ein Mann mit würdigem Gebaren, der jedoch nicht allzu glücklich über seine Versetzung ans Kautionsgericht wirkte.
    Er begann mit den Fällen, bei denen Angeklagte nicht zur Hauptverhandlung erschienen waren. Bei jedem der etwa zwanzig Männer hörte er sich die Argumente beider Seiten an und verkündete dann, ohne von seinen Unterlagen aufzublicken: »Haft wird nicht ausgesetzt«. Danach wurden sämtliche
Betroffenen wieder eingesammelt und zurück ins Gefängnis geschafft.
    Als Richter Lotus sich anschließend den geringfügigen Vergehen und Ordnungswidrigkeiten zuwandte, machte ich es mir bequem, denn damit war klar, dass Petes Fall als schwere Straftat zuletzt verhandelt würde. Es gehörte zum richterlichen Standardprozedere, zunächst die kleinen Fische abzuhaken, bevor man sich den kapitalen Burschen zuwandte.
    Jeder Verhaftete hat das Recht auf eine sogenannte Gerstein-Anhörung, in deren Verlauf der Richter darüber befindet, ob hinreichende Verdachtsgründe für eine Fortsetzung der Haft bestehen. Theoretisch sollten zu diesem Zweck entweder das Vorstrafenregister oder Zeugen herangezogen werden, doch üblicherweise haben Richter in großstädtischen Kautionsgerichten die Worte »hinreichende Verdachtsgründe für Haftfortsetzung« schon ausgesprochen, bevor der Beschuldigte überhaupt auf der Anklagebank Platz genommen hat.
    Im Anschluss an die Gerstein-Anhörung erörtert der Richter dann die Kautionsfrage, was sich erfahrungsgemäß länger hinziehen kann, wenn Staatsanwalt und Verteidiger sich nicht schon vorher auf einen Betrag geeinigt haben. Der Richter kann I-Bonds, also erleichterte Kautionsbedingungen beschließen - bei denen der Beschuldigte ohne Kautionsstellung freikommt und nur im Fall seines Nichterscheinens beim Prozess zahlen muss - oder Standardbedingungen, bei denen zehn Prozent des festgesetzten Kautionsbetrags als Sicherheit hinterlegt werden müssen.
    »Hinreichende Gründe für Haftfortsetzung, Umstände?« Nach diesem Satz verfolgt der Richter kurz die Diskussion der Anwälte beider Seiten, bevor er zum Beispiel verkündet: »Zehntausend Standard«, oder »Eintausend erleichtert«. Von
dieser abgekürzten, formelhaften Prozedur wird kaum einmal abgewichen. Nimmt ein Fall länger als fünf Minuten in Anspruch, versteht der Richter nichts von seinem Job.
    Die Gefangenen wurden durch eine Seitentür hereingeführt und dort aufgereiht, wo üblicherweise in Gerichtssälen die Jury Platz nimmt. Manchmal gab es dort Stühle oder Bänke, doch nicht so in diesem Gerichtssaal. Die Gefangenen mussten

Weitere Kostenlose Bücher