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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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Heinrich sofort und wiederholt seinen letzten Satz. »Haben Sie alles?«
    »Ja, danke.«
    Heinrich spürt, wie ihm der Schweiß auf der Stirn steht. Selten hat er sich für eine Sache so engagiert, selten hing soviel davon ab, und selten hatte er es mit soviel diplomatischer Unbeweglichkeit zu tun. Die Welt könnte untergehen, ehe die Politik endlich handelt.
    Er geht zum Fenster, öffnet es. Einen Augenblick lang läßt er nur den Wind über sein Gesicht streichen, kann sich nicht satt sehen an den klaren Farben, dem beinahe unwirklich schönen Licht, und er möchte wenigstens für Augenblicke ganz eintauchen in diese andere Welt. Weite, Kälte, sich selbst wieder ganz spüren, die Aufgeregtheit abschütteln, das ist es, was er jetzt braucht … Er wird einen Spaziergang machen, sobald er hier fertig ist, beschließt er.
    Er wirft einen Blick auf das Blatt in der Schreibmaschine, legt dem Sekretär dabei versöhnlich die Hand auf die Schulter. Der Sekretär sieht ihn etwas verunsichert an. »Soll ich vorlesen?«
    »Nein, nein, ich hab’s schon, danke. Arbeit unserer Feinde entgegentreten, Absatz.«
    Er ist ganz ruhig geworden, spricht langsam und leise. »Die Geldmittel, die dafür bereitzustellen sind, dürfen im Verhältnis zu den Unsummen, die der Krieg täglich verschlingt, nicht zu groß sein. Es sollte deutscherseits in diskreter Form ein kleines Komitee gebildet werden von Herren, die Rußland kennen, das diese Sache energisch und zielbewußt fördert.«
    Heinrich Bockelmann wartet, bis der Sekretär den Satz zu Ende geschrieben hat und sagt dann entschlossen: »Bitte nicht die üblichen Abschlußfloskeln. Meine Unterschrift genügt.«
    Der Sekretär nickt.

    Heinrich öffnet die Tür. »Pascha! Alle Jungs zu mir ins Arbeitszimmer! Sofort!« Seine Stimme klingt ungeduldiger als er es eigentlich beabsichtigt hatte.

Sechs Männer und ein tanzender Drachen
    Oben herrscht betretenes Schweigen. Zaghaft kommen seine fünf Söhne die Treppe herab, versuchen sich gegenseitig mit Blicken Zeichen zu geben, wer als erster spricht und was zur Verteidigung zu sagen sei.
    Schließlich ergreift der vierzehnjährige Erwin zuerst das Wort: »Vater, wenn wir zu laut waren, tut es mir leid, aber …«
    Heinrich unterbricht ihn ruhig. »Es ist schon gut, Jungs, wir sind heute alle ein bißchen nervös, und deshalb machen wir sechs Männer jetzt vor dem Essen auch einen Spaziergang.«
    Er macht eine kleine Pause. Die Jungs sehen sich entgeistert an. Offenbar hat er schon viel zu lange keine Spaziergänge mehr mit ihnen unternommen.
    Der achtjährige Gert protestiert. »P… papa, aber es ist d… doch v… viel zu st… stürmisch draußen.« Immer noch stottert er. Ein wenig ist er das Sorgenkind unter den fünf Söhnen. Neben dem willensstarken und oft unermeßlich dominanten vierzehnjährigen Erwin, der sich, wenn Heinrich in seiner Stockholmer Wohnung ist, immer mehr als der »Herr des Hauses« versteht und seine Brüder herumzukommandieren beginnt. Erwin gönnt sich trotz seines schweren Asthmas selbst keine Schwäche und duldet sie auch nicht in seinem Umfeld.
    Heinrich lächelt, streicht Gert über den Kopf. »Sechs Männer wie wir werden sich doch von so ein bißchen Wind nicht ins Bockshorn jagen lassen! Zieht euch warm an, nehmt eure festen Schuhe, und vor allem du, Erwin, nimm den warmen Mantel und den dicken Schal, mit deinem Asthma ist nicht zu spaßen.«
    »Wenn ich ständig darauf Rücksicht nehme, kann ich mich gleich begraben lassen«, mault Erwin vor sich hin.

    Heinrich verschlägt es von soviel Uneinsichtigkeit und Härte gegen sich selbst beinahe den Atem. »Ich respektiere deine Haltung, dich nicht verweichlichen zu wollen, aber Ignoranz und Dummheit können in diesem Fall nah beieinander liegen. Du hast eine ernstzunehmende Krankheit, und du mußt dich darauf einstellen. Also tu, was ich dir sage.«
    Erwins Backen glühen vor Zorn über den Vorwurf der Dummheit, doch er sieht seinen Vater nur geradeheraus an und schweigt. Heinrich weicht dem Blick zuerst aus und ärgert sich gleichzeitig darüber.
    Der dreizehnjährige Rudi berührt währenddessen gedankenverloren das Fagott der Bronzestatue, wie er selbst es vor wenigen Augenblicken getan hat.
    »Können wir den Drachen steigen lassen?« fragt der vierjährige Johnny in die gespannte Stille. »Oh, ja, bitte!« stimmen die anderen begeistert ein.
    Heinrich nickt. »Das ist eine gute Idee. Rudi und Werner, ihr holt gleich den kleinen Drachen, den wir

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