Der Mann mit dem Fagott
uns verband, das, was sie mir zu geben hatte, zu selbstverständlich, das weiß ich heute. Ich dachte einfach nicht über die Zukunft nach oder darüber, daß sie ihr Leben an mir orientierte, ohne dafür so etwas wie Sicherheit zu bekommen.
Ich war ja auch noch mit Panja verheiratet, die Kinder waren noch nicht einmal Teenager, und Panja und ich hatten unseren Pakt: Scheidung erst, wenn die Kinder erwachsen sind. Über eine neue Ehe dachte ich also wirklich nicht nach.
Dazu kam der Zeitgeist jener Tage, die Lebenshaltung einer Zeit, die sich die »freie Liebe«, die Sexualität ohne Verpflichtung, ohne Verantwortung auf die Fahnen geschrieben hatte. Man propagierte »Love and Peace«, verstand »Love« aber meistens nur als oberflächliche Freizeitbeschäftigung ohne Konsequenzen, nahm sich vor, eine ganz neue Gesellschaftsform zu entwickeln, wobei grundlegende menschliche Sehnsüchte und Bedürfnisse über Bord geworfen und mit zynischen Wahlsprüchen wie »Wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment« als spießig verachtet wurden. Ich nahm die Zeit mit ihrer eisigkalten Spaßgesellschaft so, wie sie nun einmal war, und lebte im Augenblick.
Natürlich konnte ich damit Corinna nicht gerecht werden - so, wie ich in meinem Privatleben noch nie einem Menschen voll und ganz gerecht geworden war, nicht einmal meinen Kindern. Wer sich mit mir einließ, wußte schließlich, was ihn erwartete, redete ich mir ein. Und hinter meinem Beruf konnte ich mich sowieso immer auch ganz gut verstecken, Verantwortung von mir schieben. Diffuse Schuldgefühle kamen immer wieder einmal auf und wurden verdrängt. Ernsthaft dachte ich über diese Dinge nicht nach.
Dazu kam die Öffentlichkeit, die uns vereinnahmte. Titelblätter mit Geschichten über uns, Titelblätter mit Geschichten über mich und andere Frauen. Ich habe so etwas nie besonders ernstgenommen, ich habe mich über Jahrzehnte in meinem Beruf an diese Art von »Presse« gewöhnt. Corinna aber wurde dem ausgeliefert, ohne dieses Leben gewählt zu haben, nur weil sie nun einmal einen Mann liebte, der in der Öffentlichkeit stand. Ein Druck, der uns das Leben zunehmend schwermachte.
Es kam eines zum anderen, wir trennten uns, sahen uns wieder, waren uns nah, ich begann zu ahnen, wie schmerzhaft es sein kann, einen Menschen zu verlieren. Trennungen, neue Versuche einer Zweisamkeit.
Corinna nahm ihr Leben in ihre eigene Hand, verließ mich, verreiste mit ihrem neuen Freund - und telefonierte täglich mit mir. Chaos pur. Ein neues Wiedersehen, die alte Vertrautheit, Nähe, auch wenn keiner von uns mehr der gleiche war. Ich begann zu ahnen, daß wir uns brauchten, daß irgendetwas an dieser Beziehung schicksalhaft war und einen Weg vorgab, der zu Ende gegangen werden mußte, doch ich wagte es noch nicht, es mir voll und ganz einzugestehen.
Mein unstetes Leben ging nebenher weiter. Vor nicht ganz fünf Jahren bin ich ein viertes Mal Vater geworden, habe eine fünfjährige uneheliche Tochter Gloria, der ich irgendwie gerecht werden muß. Sie ist wie Sonja in Wien geboren, stammt aus einem Verhältnis mit einer Wiener Jurastudentin. Mein chaotisches Leben hat mich wieder einmal eingeholt. Eine Medienschlacht war die Folge, und ich konnte Gloria nicht wie seinerzeit Sonja ein Aufwachsen abseits des öffentlichen Interesses ermöglichen, was die Vaterrolle, die ich da spiele, keineswegs einfacher macht und ihr sicher auch die Kindheit nicht unbedingt erleichtert.
Des öfteren plagen mich Gewissensbisse, und ich frage mich, warum ich mit über 60 Jahren immer noch in solche Verwirrungen und Verwicklungen des Lebens stolpere. Aber ich weiß, daß ich zumindest die Verantwortung auch für diesen Teil meines Lebens übernehmen muß und versuche, bei all dem den richtigen - oder zumindest einen für alle gangbaren - Weg zu finden, auch wenn der Lebenswirrwarr mir manchmal über den Kopf wächst.
Corinna hat mir keine Vorwürfe gemacht. Sie war einfach für mich da, stand mir zur Seite, bedrängte mich nicht, auch wenn sie darunter sicher gelitten hat. Und wenn ich zwischendurch ratlos war angesichts der verletzten Gefühle von Glorias Mutter und der dadurch an mich herangetragenen Forderungen und Vorwürfe, hat Corinna in mir immer Verständnis für die schwierige Lage dieser jungen Frau geweckt.
Inzwischen war ich von Panja geschieden, und ich spürte, daß die Begegnung mit Corinna schicksalhaft für mich geworden war und daß ich es früher nicht hatte
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