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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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Fassade, Parolen, hinter denen nichts Gutes steckt, eine Fratze der Gefahr, die sich schön geschminkt hat.
    Baron von Knoop lacht über diesen gewagten Vergleich und greift ihn dann auf seine Weise auf. Er glaubt an Herzensbildung und an das Gute im Menschen, und daran, daß wahre Liebe sich ebensowenig dauerhaft irren kann wie ein humanistisch fühlendes Menschenherz. Erwin hört interessiert zu, ohne sich einzumischen. Diskussionen dieser Art überfordern ihn noch, aber er versucht zu lernen.
    Anna und Baronin von Knoop halten sich ein wenig abseits. Sie hat vor allem das Schicksal Odettes, der vom bösen Zauberer in einen Schwan verwandelten Prinzessin berührt und der Schwanensee aus Tränen der Mutter über das Unglück ihrer Tochter. Baronin von Knoop fürchtet all die Gefahren, die heutzutage für junge Damen überall lauern. Wie schnell kann so ein Mädchen, das noch nichts von der Welt weiß, aus Idealismus an den Falschen geraten, der es ins Unglück stürzt. Man überlegt, ob man den Kindern freie Hand in der Wahl ihrer Ehepartner lassen soll, wie es seit einiger Zeit modern ist, oder ob man doch mit kluger, schützender Hand eingreifen sollte, wie es bei ihnen selbst geschehen ist. Geschickt müßte man es natürlich machen …
    »Wera ist so gefühlsbetont, das macht mir oft Sorge«, erzählt Baronin Knoop ihrer Freundin. »Bisher habe ich ihre Schwärmerei für Rilke ja ganz rührend gefunden, aber langsam mache ich mir wirklich Sorgen, ob sie in ihrer Begeisterung nicht zu weit geht. Ihre Schwärmerei erfüllt sie so ganz und gar, so beängstigend bedeutsam. Und auch er sieht sie so seltsam an. Manchmal kommt es mir sogar fast so vor, als tauschten sie verschwörerisch-geheimnisvolle Blicke aus. Und das gibt Weras Phantasie natürlich immer wieder neue Nahrung …« Das könne doch nicht gut für sie sein. Vielleicht sei es ja auch gerade das Tanzen, das sie so schnell habe reifen und so fast erschreckend ernsthaft habe werden lassen. Und
diese herrlich romantischen Geschichten von der Liebe, die eine Frau erst zu dem mache, was sie sei. Das müsse einem jungen Ding ja allerhand Flausen in den Kopf setzen. Es seien ja schöne Phantasien, aber mehr eben auch nicht. Märchen … Wera nehme das sicher oft zu ernst. Und immerhin sei Rilke ja auch verheiratet, auch wenn diese Ehe als nicht besonders glücklich gelte. Und überhaupt: So ein Künstler sei doch sicher ein Filou! Er habe nicht einmal einen festen Wohnsitz, suche Unterschlupf bei Freunden, ziehe durch die Länder. Sie verurteile das ja nicht, aber wenn Wera ihm ihr Herz weiterhin so weit öffne, könne sie das ihr Lebensglück kosten. Vielleicht habe man sie gar nicht erst mit ihm bekannt machen sollen. Aber wer hätte schon so etwa ahnen können. Auf Töchter müsse man ständig so schrecklich aufpassen. Als Mutter von Söhnen habe man es da schon leichter, mutmaßt sie.
    Anna kann sie verstehen, doch Söhne würden auch ganz anders ihren Weg im Leben finden müssen als Töchter. Töchter mußte man beschützen, Söhne führen. Das sei auch nicht immer leicht.
    Inzwischen hat man das Metropol mit der wunderschönen Fassade im Stil der russischen Moderne, der farbenprächtigen Majolika am oberen Teil des Gebäudes erreicht, angestrahlt von den geheimnisvollen Lichtern, die Rudi schon vom Bolschoj-Theater kennt. Erwartungsvoll tritt man ein.
    In der Mitte des römisch gestalteten Atriums mit weißen Marmorsäulen ein flacher Springbrunnen, die besondere Attraktion des Hauses. Dahinter die Empfangskellner, die die Gäste erwarten und zu ihren Tischen geleiten sollen. Neben dem Brunnen versperren Gruppen von Gästen im Aufbruch, beschäftigt mit ihren Mänteln und Verabschiedungsritualen, den Weg.
    Heinrich zögert nur einen Augenblick, leicht verstimmt über diese Umständlichkeit. Dann nimmt er Erwin und Rudi schnellentschlossen an den Händen. »Paßt auf, jetzt könnt ihr etwas für’s Leben lernen«, erklärt er den Knaben mit mahnender Miene und lenkt ihre Schritte bestimmt und selbstsicher geradewegs auf den seichten Brunnen zu. Die Kellner schauen ihn einen Moment lang ebenso irritiert an wie die Knaben, die vergeblich versuchen, den Griff zu lockern und dem Unvermeidlichen zu entgehen, als Heinrich auch kurz vor dem Wasser nicht ausweicht. Ohne eine Miene zu verziehen, watet er mit den Jungs geradlinig mitten durch den
Brunnen und das knöchelhohe Wasser auf den eigentlichen Restauranteingang zu und an seinen angestammten Tisch, wo er

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