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Der Mann mit dem goldenen Colt

Titel: Der Mann mit dem goldenen Colt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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abgeschabt werden muß, da sie sonst das Tier heftig reizt. Während eines Besuches des Zirkus in Triest bildete sich bei Max diese Ablagerung, wurde aber übersehen.
    Das >Große Zelt< des Zirkus war am Rande der Stadt neben der Küstenlinie der Eisenbahn errichtet worden, und in der Nacht, die meiner Meinung nach das zukünftige Leben des jungen Scaramanga entscheidend beeinflussen sollte, wurde Max rasend, warf den Jungen ab und trampelte sich unter entsetzlichem Brüllen seinen Weg durch das Publikum, verwundete viele Leute und rannte quer über das Gelände zur Bahnlinie, die er in vollem Tempo entlanggaloppierte.
    Die Carabinieri wurden alarmiert und fuhren ihm im Auto die Hauptstraße entlang nach, die neben der Bahnlinie verläuft.
    Schließlich erreichten sie das unglückliche Riesentier, dessen Zorn verraucht war und das friedlich dastand - in der Richtung, aus der es gekommen war.
    Die Polizei wußte nicht, daß der Elefant, wenn sein Wärter gekommen wäre, sich jetzt friedlich in seinen Stall hätte zurückführen lassen, sondern eröffnete das Feuer und verletzte ihn oberflächlich an vielen Stellen mit Revolver- und Karabinerkugeln. Neuerlich wütend, rannte das unglückliche Tier wieder die Bahnlinie entlang - vom Polizeiauto verfolgt, aus dem der Geschoßhagel ununterbrochen fortgesetzt wurde.
    Auf das Gelände zurückgekehrt, schien der Elefant sein >Zuhause< zu erkennen, das >Große Zelt<, er wandte sich von der Bahnlinie ab, rannte durch die fliehenden Zuschauer hindurch zur Mitte der verlassenen Arena und setzte dort, vom Blutverlust geschwächt, seine unterbrochene Vorführung kläglich fort. Unter fürchterlichem Trompeten versuchte der vom Schmerz geplagte, tödlich verwundete Max immer wieder sich aufzurichten und auf einem Bein zu stehen.
    Der junge Scaramanga, inzwischen mit seinen Pistolen bewaffnet, versuchte ein Lasso über den Kopf des Elefanten zu werfen, während er ihm in der >Elefantensprache<, mit der er ihn immer im Zaum hielt, zuredete.
    Max erkannte offenbar den Jungen und - es muß wirklich ein erbarmungswürdiger Anblick gewesen sein - senkte den Rüssel, um ihn zu seinem gewohnten Sitz hinter dem Kopf hochzuheben.
    Aber in diesem Augenblick stürzte die Polizei in den Sägespänering, und ihr Hauptmann leerte seinen Revolver aus kürzester Entfernung ins rechte Auge des
    Elefanten, worauf Max sterbend umfiel.
    Darauf zog der junge Scaramanga, der laut Presse sehr an dem Tier hing, eine seiner Pistolen, schoß dem Polizisten ins Herz und floh in die Menge der Umstehenden, verfolgt von den anderen Polizisten, die wegen der Menschenmenge nicht feuern konnten.
    Es gelang ihm zu entkommen, er schlug sich nach Neapel durch und kam, wie oben erwähnt, als blinder Passagier nach Amerika. Ich sehe nun in diesem schrecklichen Erlebnis einen möglichen Grund für die Verwandlung Scaramangas in den bösartigsten Revolvermann der letzten Jahre. Ich glaube, daß an diesem Tag in ihm der kaltblütige Gedanke entstand, sich an der ganzen Menschheit zu rächen. Daß der Elefant Amok gelaufen war und viele Unschuldige niedergetrampelt hatte, daß der wirklich Verantwortliche sein Wärter war und die Polizei nur ihre Pflicht getan hatte, wurde von dem aus einer heißblütigen Familie stammenden Jungen, der so tief verletzt war, vergessen, aus dem Bewußtsein verdrängt.
    Jedenfalls verlangt Scaramangas spätere Karriere nach einer Erklärung, und ich bin sicher, daß diese meine Annahme auf Grund der bekannten Tatsachen nicht als unrealistisch angesehen werden muß.«
    M rieb sich mit dem Pfeifenkopf gedankenvoll die Nase. Tja, ganz gut möglich.
    Er wandte sich wieder der Akte zu.
    »Ich muß«, schrieb C. C, »über die angebliche sexuelle Potenz dieses Mannes im Hinblick auf seinen Beruf etwas bemerken. Nach einer Freudschen ^ese, der ich mich anschließen möchte, ist die Pistole, ob sie nun in der Hand eines Amateurs oder eines berufsmäßigen Revolverhelden liegt, für den Besitzer ein Symbol der Männlichkeit - eine Verlängerung des männlichen Gliedes -, und das übertriebene Interesse für Schußwaffen (zum Beispiel Sammlungen in Clubs) ist eine Form des Fetischismus. Scaramangas Neigung zu einer besonders auffallenden Waffe und die Verwendung von Kugeln aus Silber und Gold weisen, wie ich glaube, klar darauf hin, daß er ein Sklave dieses Fetisches ist. Und wenn ich damit recht habe, so bezweifle ich seine angebliche sexuelle Kraft, deren Mangel vielmehr sein Revolverfetisch entweder

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