Der Mann mit dem goldenen Colt
Ist er inzwischen zu Bewußtsein gekommen?« Miss Moneypennys Gesicht war ausdruckslos.
»Ich nehme an, Sir. Der Arzt hat ihm ein Beruhigungsmittel gegeben, und er wurde während der Mittagszeit auf einer Bahre weggetragen. Er war zugedeckt. Sie brachten ihn im Lastenaufzug in die Garage. Ich hatte keine Anfragen.«
»Schön. Also bringen Sie mir bitte die Depeschen. Mit diesen häuslichen Aufregungen haben wir heute eine Menge Zeit vergeudet.«
M ging mit der Akte in sein Büro.
Miss Moneypenny brachte die Depeschen und stand pflichtgemäß daneben, während er sie durchging und gelegentlich eine Bemerkung oder eine Frage diktierte.
»Besten Dank. Jetzt lassen Sie mich eine Viertelstunde allein, dann kann ich mit jedem sprechen, der mich verlangt. Natürlich hat Sir James Vorrang.«
M öffnete die braune Mappe.
Er nahm seine Pfeife und begann sie geistesabwesend zu stopfen, während er die Liste der Ergänzungsakten durchging, um zu sehen, ob es sonst noch etwas brauche.
Dann zündete er ein Streichholz an, lehnte sich zurück und las:
»FRANCISCO (PACO) >PISTOL< SCARAMANGA« und darunter, in kleineren Buchstaben: »Freiberuflicher Mörder, hauptsächlich im Auftrag des KGB über DSS Havanna, Kuba, aber häufig auch als unabhängiger Unternehmer für andere Organisationen tätig in der Karibik und den mittelamerikanischen Staaten. Hat besonders dem Geheimdienst, aber auch der CIA und anderen befreundeten Organisationen durch Mord und kunstgerechte Verwundung bedeutenden Schaden zugefügt, und zwar seit 1959, dem Jahr, in dem Castro zur Macht gelangte und das auch die Operationen Scaramangas ausgelöst zu haben scheint.
Wird in den genannten Gegenden, zu denen er trotz polizeilicher Vorkehrungen völlig freien Zutritt zu haben scheint, weithin gefürchtet und bewundert. Ist gewissermaßen ein Lokalmythos geworden, und man kennt ihn in seinem Gebiet als den >Mann mit dem goldenen Colt< - ein Hinweis auf seine Hauptwaffe, einen langläufigen vergoldeten Spannschloß-45er-Colt. Er verwendet besondere Kugeln mit schwerem, weichem (24 Karat) Goldkern und Silberüberzug sowie Kreuzeinschnitt an der Spitze nach dem Dumdum-Prinzip zwecks maximaler Wundwirkung. Er stellt seine Munition selbst her und bearbeitet sie auch selbst.
Er hat den Tod von 267 (Britisch-Guayana), 398 (Trinidad), 943 (Jamaika) und 768 und 742 (Havanna) auf dem Gewissen sowie die Verwundung und daraufhin notwendig gewordene Pensionierung von 098, dem Gebietsinspektionsbeamten, durch Schußwunden in beide Knie. (Siehe obige Referenzen im Zentralregister der Opfer Scaramangas auf Martinique, Haiti und in Panama.)
BESCHREIBUNG: Alter etwa 35. Größe 1 Meter 88. Schlank und wohltrainiert. Augen hellbraun. Haar rötlich, Bürstenschnitt. Lange Koteletten. Hageres, finsteres Gesicht mit dünnem Bleistiftschnurrbart, bräunlich. Ohren sehr flach anliegend. Sehr große, kräftige, sorgfältig manikürte Hände.
Besondere Kennzeichen: etwa fünf Zentimeter unter seiner linken Brust eine dritte Brustwarze. (Bemerkung: bei Voodoo und verwandten Ortskulten wird das als Zeichen der Unverwundbarkeit und außergewöhnlich großer sexueller Potenz angesehen.)
Ist ein unersättlicher, aber wahlloser Weiberheld, der kurz vor einem Mord ausnahmslos sexuellen Verkehr pflegt, da er glaubt, daß das sein >Auge< verbessert. (Bemerkung: dieser Glaube wird von vielen professionellen Tennisspielern, Golfern, Revolver- und Gewehrschützen und anderen geteilt.)
HERKUNFT: Angehöriger einer katalanischen Familie von Zirkusdirektoren gleichen Namens, mit der er seine Jugend verbrachte. Autodidakt. Im Alter von sechzehn Jahren, nach dem unten beschriebenen Vorfall, reiste er illegal in die Vereinigten Staaten ein, wo er als Mitglied verschiedener Banden kleine Verbrechen beging, bis er als vollgültiger Revolvermann beim >Spangled Mob< in Nevada Aufnahme fand. Offiziell arbeitete er als Angestellter im Kasino des Tiara-Hotels in Las Vegas, fungierte jedoch in Wirklichkeit als Scharfrichter für Falschspieler und andere Missetäter innerhalb und außerhalb des >Mob<.
1958 mußte er infolge eines berühmten Duells mit seinem Gegenspieler bei der >Detroit Purple Gang<, einem gewissen Ramon >Schießeisen< Rodriguez, das bei Mondlicht auf dem dritten Grün des ^underbird-Golfplatzes in Las Vegas stattfand, aus den Staaten fliehen. (Scaramanga hatte zwei Kugeln ins Herz seines Gegners geschossen, bevor dieser einen einzigen Schuß abgegeben hatte. Entfernung zwanzig
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