Der Mann mit dem goldenen Colt
den Regen wird die diesjährige Ernte in Kuba nur drei Millionen Tonnen betragen und außerdem sehr spät fallen, da die Regenfälle den Zuckergehalt verheerend beeinträchtigt haben.«
Sie zeigte ihr breites Lächeln.
»Das sind keine Geheimnisse. Nur den Gleaner gelesen. Es lohnt sich also für Castro, den Weltmarktpreis möglichst hochzuhalten, indem er soviel Schaden wie möglich in den Konkurrenzernten anrichtet. Auf diese Weise gewinnt er eine bessere Position für seinen Handel mit Rußland. Er hat nur seinen Zucker zu verkaufen und braucht dringend Lebensmittel. Dieser Weizen zum Beispiel, den die Amerikaner den Russen verkaufen - ein Großteil davon wird seinen Weg zurück nach Kuba finden.«
Sie lächelte wieder.
»Ziemlich verdrehtes Geschäft, nicht? Ich glaube nicht, daß sich Castro noch lange halten wird. Die Raketengeschichte in Kuba muß Rußland rund eine Milliarde Pfund gekostet haben. Und jetzt müssen sie Geld und Waren nach Kuba pumpen, nur um das Land auf den Beinen zu halten. Ich kann mir nicht helfen, ich glaube, sie werden über kurz oder lang abziehen und Castro den Weg gehen lassen, den Batista gegangen ist. Das Land ist stark katholisch, und man hat den Hurrikan Flora als eine Art Gottesurteil angesehen. Fünf Tage lang ist er über der Insel geblieben und hat sie einfach durchgepeitscht. Kein Hurrikan in der Geschichte hat sich je so benommen. Die Kirchgänger betrachten ein solches Omen als ausdrücklich gegen das Regime gerichtet.«
Bond sagte bewundernd: »Goodnight, Sie sind ein Schatz. Sie haben Ihre Hausaufgaben wirklich gemacht.«
Die blauen Augen blickten ihn ernst an und wichen dem Kompliment aus.
»Damit lebe ich hier, das gehört zur Station. Was ich erzählt habe, erklärt diese Zuckerbrände bei WISCO. Zumindest glauben wir das. Offenbar ist in der ganzen Welt ein gigantisches Schachspiel um Zucker im Gange.«
Sie nahm einen Schluck von ihrem Drink.
»Also, das ist alles über Zucker. Dieser Hugill wird Ihnen entgegenkommen, er war während des Kriegs beim Marinegeheimdienst, weiß also, was gespielt wird. Der Wagen ist ein wenig alt, aber noch recht schnell und wird Sie nicht im Stich lassen. Er ist ziemlich abgenutzt, also nicht auffallend. Die Karte hab ich ins Handschuhfach gelegt.«
»Sehr gut. Nun die letzte Frage, dann gehen wir essen und erzählen einander unsere Lebensgeschichte. Übrigens, was ist mit Ihrem Chef Ross?«
Mary Goodnight sah bekümmert aus.
»Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht genau. Er ist letzte Woche mit einem Auftrag nach Trinidad gefahren. Sollte einen Mann namens Scaramanga aufspüren. Das ist eine Art lokaler Revolverheld, ich weiß nicht viel über ihn. Das Hauptquartier hat es offenbar aus irgendeinem Grund auf ihn abgesehen.«
Sie lächelte bedauernd. »Mir erzählt man nie etwas Interessantes; ich bin nur das Arbeitstier. Also, Commander Ross hätte vor zwei Tagen zurück sein sollen, ist aber nicht erschienen. Ich habe eine dringende Warnung abgeschickt, erhielt aber den Bescheid, ihm noch eine Woche Zeit zu lassen.«
»Nun, ich bin froh, daß er nicht da ist. Seine Nummer zwei ist mir lieber. Letzte Frage: Was ist mit dieser Liebesstraße No. 3%? Haben Sie etwas erfahren?«
Mary Goodnight errötete.
»Und ob! Da haben Sie mir etwas Schönes eingebrockt. Alexanders waren zugeknöpft, und schließlich mußte ich zur Spezialabteilung gehen. Ich werde mich dort wochenlang nicht zeigen können. Der Himmel weiß, was sie von mir denken müssen. Das Haus ist ein . . . ein äh . . .« Sie rümpfte die Nase. »Es ist ein berühmt berüchtigtes Haus in Sav’ La Mar.«
Bond lachte laut über ihre Verwirrung. »Sie meinen, es ist ein Bordell?«
»Genau das meine ich.«
5
Die Südküste von Jamaika ist nicht so schön wie die nördliche, und die hundertachtzig Kilometer von Kingston nach Savannah La Mar führen über Straßen von sehr unterschiedlichem Zustand.
Mary Goodnight hatte darauf bestanden mitzukommen, ». . . um zu lotsen und bei den Reifenpannen mitzuhelfen«. Spanish Town, May Pen, Alligator Fond, Black River, Whitehouse Inn, wo sie zu Mittag gegessen hatten - sie waren unter der glühenden Sonne dahingerollt, bis sie gegen vier Uhr nachmittags eine gute, gerade Straße zu netten, kleinen Villen brachte, jede mit ihrem Fleck bräunlichen Rasens, Bougainvillea und einem Beet mit Camalilien und Croton, aus denen die »elegante« Vorstadt der bescheidenen kleinen Küstenstadt besteht, die im Volksmund Sav’ La
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