Der Mann mit dem roten Zylinder
auf: „Und jetzt erzähle! Wie heißt die Nummer, und wo und wie hast du sie entdeckt?“
„Ich war im Kino in der Sögerstraße...“ beginnt Knut aufs neue zu erzählen. „Als die Vorstellung zu Ende war, quetschte sich alles zum Ausgang. Ich wollte mich ein bißchen vordrängeln, als mich jemand am Ohr zog...“ Er weist entrüstet auf sein Ohr. „Hier, es ist noch ganz rot!“
Patò nickt mitleidsvoll.
„Es war ein Mann. Ich solle nicht so drängeln, sagte er zu mir... Genau gesagt: ,Drängle nicht, verflixte Rotznase!’“
Knut Larsen sieht erwartungsvoll auf Patò, und als dieser mimisch seiner Entrüstung über dieses Schimpfwort Ausdruck gibt, fährt Knut fort: „Ich hatte mir gerade vorgenommen, ihm aus Rache ordentlich auf die Zehen zu treten... Na ja“, verteidigt er sich, als Patò vorwurfsvoll die Augenbrauen hochzieht, „ich konnte doch die ,Rotznase‘ nicht auf mir sitzenlassen.“ Dazu macht er ein Gesicht, als habe ihm der andere den Kopf abschrauben wollen.
„Weiter!“ fordert der Detektiv ihn auf.
„Blitzschnell fuhr es mir dann durch den Kopf, daß ich den Mann schon mal gesehen haben mußte. Und wo, wußte ich auch. Er war es gewesen, der mir in der Boggestraße Grüße von Samor auftrug.“
Patò nickt anerkennend.
„Du bist ihm gefolgt?“ erkundigt er sich dann gespannt.
„Klar!“ erwidert Knut mit großer Geste. „Er ging ganz gemütlich bis zum Rathausplatz. Ich immer hinter ihm her. Plötzlich stoppte ein Wagen neben ihm, und er stieg ein. Es war der gleiche wie in der Boggestraße. Er fuhr in Richtung Boulevard Langebro.“
Knut Larsen macht eine Atempause und wirft Patò einen um Anerkennung heischenden Blick zu. „Die Nummer war Kopenhagen 2-2-1-1.“ Patò will zu einer Erwiderung ansetzen, doch Knut kommt ihm zuvor. „Das ist aber noch nicht alles. Als der Mann im Kino an meinem Ohr zog, habe ich gesehen, daß er eine große Narbe auf dem linken Handrücken hatte.“
„Du hast dir eine Extraprämie verdient“, verkündet Patò mit ernstem Gesicht und greift in seine Jackentasche. Dann schiebt er seine Hand über den Tisch.
„Hier!“
Zögernd kommt ihm Knuts Hand entgegen. Als dieser jedoch das Knistern von Papiergeld hört und spürt, erschrickt er doch ein wenig und wirft verstohlen einen scheuen Blick in seine Hand. Ein fast neuer Zehnkronenschein liegt da.
„Aber das ist doch zuviel, Herr Patò“, flüstert er erregt und fassungslos.
„Du hast ihn dir redlich verdient!“ Und bevor der Junge noch etwas sagen kann, setzt er entschieden hinzu: „Morgen früh um neun Uhr kannst du mich vor dem Hoteleingang erwarten. Und jetzt sieh zu, daß du nach Hause kommst.“
Gehorsam hat sich Knut erhoben. Seine Augen strahlen wie Christbaumkerzen, während seine rechte Hand krampfhaft den Zehnkronenschein umfangen hält.
„Ich werde pünktlich wie mein Lehrer sein.“ Und zufrieden seufzt er: „Ein Glück, daß wir gerade Ferien haben.“ Und nach einer gewandten Verbeugung ruft er fröhlich: „Gute Nacht, Herr Patò!“
Henry Patò sieht ihm lächelnd nach, wie er mit stolzgeschwellter Brust den Speisesaal durchquert. Ohne sonderliche Eile. Vielleicht denkt er gerade daran, wie der dicke, suppeschlürfende Mann oder die feine Dame, die sich die Serviette wie ein Badetuch um den Hals geschlungen hat, im Nachthemd aussehen würden.
Während sich Henry Patò dem Genuß eines Mokkas hingibt, geht einige Straßen weiter ein Mann erregt in seinem Zimmer auf und ab.
Immer wieder richtet er seine Schritte zum Fenster, um im Licht der Straßenbeleuchtung auf seine Uhr zu sehen. Im Zimmer selbst sind alle Lampen ausgeschaltet.
Der Aschenbecher auf dem Tisch ist zum Überquellen gefüllt.
Da, waren das nicht Schritte auf dem Gang?
Der Mann bleibt unbeweglich stehen und beugt den Kopf lauschend nach vorn. Ja, da kommt jemand. Mit wenigen Schritten ist er an der Tür, und als es in diesem Augenblick klopft, reißt er sie auf.
„Mann, bin ich jetzt erschrocken...“
„Kommen Sie herein!“ herrscht der Mann im Dunkeln den Neuankömmling an.
Gemächlich schlendert der Neue ins Zimmer.
„Haben Sie schlechte Laune?“ fragt er mit aufreizender Ruhe. Gleichzeitig rümpft er die Nase und äußert in anzüglichem Tonfall:
„Eine miese Luft haben Sie hier. Sie sollten mal ein bißchen Sauerstoff in Ihre Höhle lassen!“
„Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre eigenen Angelegenheiten, Laasen.“
Der mit Laasen Angeredete wirft seinem
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