Der Mann mit dem roten Zylinder
Gesprächspartner einen zweideutigen Blick zu, während er es sich auf dem kleinen Sofa vor dem Tisch bequem macht.
„Bisher bezahlten Sie mich ja dafür, daß ich mich um Ihre Angelegenheiten kümmerte. Soll das jetzt anders werden?“
Der Mann antwortet mit einer Gegenfrage: „Wo haben Sie gesteckt?“
„Ich war im Kino!“ erwidert Laasen ungerührt.
„Im Kino?!“ Dem Frager verschlägt es die Sprache. Wütend verzieht er das Gesicht.
„Ich bezahle Sie nicht fürs Kinogehen, Sie... Sie...“
Laasen hebt die Hand. „Keine Beleidigungen, großer Chef. Patò wurde von mir beschattet, bis er zum Abendessen im Hotel verschwand. Erst dann bin ich ins Kino gegangen.“
„Und der Wagen?“
„Den habe ich hinterher zurückgeschickt. Hier ist die Quittung!“ Bei diesen Worten zieht er einen Zettel aus der Tasche und wirft ihn nachlässig auf den Tisch neben den vollen Aschenbecher. „Hundertvier Kronen, wenn ich bitten darf.“
Der andere macht einen Schritt auf ihn zu. „Für einen kleinen Strolch haben Sie eine reichlich große Klappe. Hier — stimmt so.“
Es sind ein Hundertkronenschein und ein Zehnkronenschein, die er auf den Tisch legt und die Laasen mit unbewegter Miene einsteckt. Nichts deutet darauf hin, daß er gekränkt ist.
„Danke“, sagt er und gähnt dabei.
„Haben Sie alles aufgeschrieben?“
Wieder schiebt Laasen seine Hand in die Tasche. „Bitte! Jedes Kopfkratzen habe ich notiert.“ Hastig greift der andere nach dem Zettel. Mit wenigen Schritten ist er am Fenster, und wieder ist es das Licht der Straßenlaterne, das ihm das Lesen ermöglichen muß. Leise vor sich hin murmelnd, überfliegt er das Gekritzel.
„In der Schule waren Sie wohl nicht gerade unter den ersten zwanzig Ihrer Klasse?“ fragt er dann, den Zettel sinken lassend, voller Spott. Doch Laasen ist nicht aus seiner Ruhe zu bringen.
„Stimmt“, nickt er und setzt trocken hinzu: „Ich war immer ein schlechter Schüler. Sonst würde ich mich wohl auch kaum mit Ihnen abgeben.“
Der letzte Satz war mit beißender Ironie gesprochen, und ein leises Zucken des Zurechtgewiesenen verrät, daß diese Spitze gesessen hat. Sich selbst zur Ruhe zwingend, zündet er sich eine Zigarette an und beginnt mit einer Wanderung, die am Fenster ihren Anfang nimmt und vor dem Tisch endet. Drei-, viermal geht er so hin und her. Laasen beobachtet ihn dabei mißtrauisch.
Endlich bleibt er vor diesem stehen. „Hören Sie zu, Laasen! Morgen können Sie von mir aus fischen gehen oder auch von früh bis abends ins Kino... Ich werde mir die Boggestraße vornehmen... Sollte ich keinen Erfolg haben, fahren Sie übermorgen nach Aarhus.“ Laasen, der den Worten seines Auftraggebers interessiert gefolgt war, richtet sich jetzt gespannt auf seinem Sofa hoch.
„Was soll ich denn in Aarhus?“
„Das werde ich Ihnen schon sagen.“
Mit wenigen Schritten ist er an den altmodischen verschnörkelten Schreibsekretär getreten und entnimmt einer Schublade Papier und Bleistift. Beides legt er vor Laasen auf den Tisch.
„Schreiben Sie!“ fordert er diesen auf, doch der macht keinerlei Anstalten, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Im Gegenteil, er räkelt sich behaglich auf seinem Sitz und tut so, als wolle er auf dem Sofa die Nacht verbringen.
„Na los, auf was warten Sie noch?“
„Halten Sie mich für eine Eule oder für ein Glühwürmchen?“
Mit wütendem Geknurr geht der Mann an den Lichtschalter, und wenig später flammt die Beleuchtung auf.
Geblendet schließt Laasen für Augenblicke die Augen. Dann fischt er mit ironischem Grinsen nach dem Bleistift und imitiert einen folgsamen Schüler:
„Das Diktat kann beginnen, Herr Lehrer.“
Der Gefoppte jedoch blickt fasziniert auf Laasens linke Hand. Eine Hand, auf der rot und gezackt eine große Narbe zu sehen ist.
Henry Patò hat sein Zimmer betreten und greift sofort nach dem Telefonapparat. Während er abhebt, läßt er sich auf sein Bett fallen. Als sich die Hotelvermittlung meldet, bittet er höflich: „Verbinden Sie mich bitte mit der Detektivagentur Sven Trellen.“
Schwungvoll legt er dann den Hörer auf die Gabel zurück und murmelt leise vor sich hin: „Jetzt werden wir diesen Samor bald im eigenen Saft schmoren!“
Er ist so in seine Vorstellungen vertieft, daß er das erste Klingeln des Telefons überhört. Hastig reißt er den Hörer von der Gabel.
„Ja?“
„Hier kommt der gewünschte Teilnehmer, bitte melden.“
Ein leichtes Knacken, dann vernimmt Patò
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