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Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
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tat sie das Natürlichste von der Welt: Sie sah sich nach allen Seiten um, schüttelte verärgert den Kopf und verließ den Park.
    Sie schlug den Weg zum Büro ein, blieb plötzlich stehen, als sei ihr etwas Besseres eingefallen und begab sich in die entgegengesetzte Richtung zum Metro-Eingang Fourteenth Street. Dabei entsprach ihr vorgetäuschtes Zögern durchaus ihren tatsächlichen Gefühlen, denn Buchanan hatte ihr die mögliche Gefahr sehr drastisch geschildert. Die Leute, für die er arbeitete, hatten getötet; sie handelten nach ganz anderen Gesetzen als den ihr vertrauten. Ein Pulitzerpreis wäre, wenn sie unter der Erde lag, auch kein Trost.
    Und was ist mit der Verantwortung des Journalisten? Und mit seiner Pflicht, skandalöse Vorgänge aufzudecken? Holly war diesen Fragen ausgewichen, indem sie ihre Entscheidung verschoben und sich eingeredet hatte, die Story würde noch besser, wenn sie die weitere Entwicklung abwartete. Sie hatte ihr Vorhaben nicht aufgegeben, sie hatte es bloß auf kleiner Flamme weiterköcheln lassen. Warum aber war sie so erschrocken, als Buchanan sich bei ihr meldete? Was wollte er? Wenn sie die couragierte Reporterin war, für die sie sich immer gehalten hatte, müßte sie eigentlich froh darüber sein. Statt dessen war ihr zumute wie bei einem Alptraum.
    Zehn Minuten später stieg sie die verstopfte Treppe der Metro Center Station hinauf, kam auf die verkehrsreiche G-Street und näherte sich dem monumentalen klassizistischen Block der National Portrait Gallery. Trotz des schlechten Wetters waren auch hier Arme in zerschlissenen, durchnäßten Kleidern unterwegs, die um Geld, Essen, Arbeit und Obdach bettelten und manchmal Schilder trugen, auf denen sie ihre Wünsche kundtaten.
    Einer von ihnen trug das gleiche Schild wie der Schwarze im Park – »Ich arbeite für etwas Essen«. Sie wollte vorübergehen.
    »Halt, Holly. Geben Sie mir fünfundzwanzig Cent«, sagte der Bettler.
    Als sie ihren Namen hörte, fuhr sie wie elektrisiert zusammen und erkannte im gleichen Augenblick in dem Mann mit Schlapphut und dem schmutzigen Gesicht Buchanan.
    »Meine Güte!« sagte sie.
    »Nicht sprechen, Holly. Geben Sie mir nur eine Münze.«
    Sie gehorchte, kramte in der Tasche und fand es schön, wie er ihren Namen aussprach.
    Buchanan redete leise. »Drummond und Tomez – nur die Nachnamen. Das ist alles, was ich habe. Leute, die Bodyguards brauchen. Kriegen Sie raus, wer das sein könnte. Treffen Sie mich heute abend um acht im Ritz-Carlton. Lassen Sie sich von der Telefonistin mit dem Zimmer von Mike Hamilton verbinden. Klar? Okay. Gehen Sie weiter.«
    Die ganze Zeit hielt er die Hand auf und wartete auf Hollys Almosen. »Danke, Madam. Gott segne Sie«, sagte er laut und steckte es ein. An einen näherkommenden Mann gewandt, fragte er: »Haben Sie fünfundzwanzig Cent übrig, Sir?«
    Holly strebte weiter auf die National Portrait Gallery zu und hoffte, daß sie ganz natürlich wirkte. Es gelang ihr, sich gelassen zu bewegen, doch in ihrem Inneren herrschten Furcht und Verwirrung.

5
     
    Der große blaue Helikopter warf einen gleitenden Schatten über den dichten Dschungel von Yucatán. Alistair Drummonds Haltung wurde immer starrer, je mehr er von Raymond hörte. »Brendan Buchanan?« fragte er mit seiner brüchigen Stimme.
    »Ein Ausbilder bei den Army Special Forces, stationiert in Fort Bragg. Er mietete einen Wagen in New Orleans und fuhr nach San Antonio, um die Eltern der Frau zu besuchen. Unser Posten vor Ort hat angerufen und mitgeteilt, daß er den Namen Jeff Walker benutzt und als Bekannter der Tochter auftritt.«
    Drummonds Blick war argwöhnisch. »Warum benutzt jemand ein Pseudonym? Doch nur, weil er etwas zu verbergen hat. Fragt sich, was. Was will er von der Frau?«
    »Wir wissen es nicht«, antwortete Raymond. »Die beiden Männer, die auf das Haus angesetzt waren, sind spurlos verschwunden. Ebenso derjenige, der im Haus vor der Stadt auf der Lauer lag. Sein Kumpel hat unter einem Teppich frische Blutspuren und in der Decke einen Einschuß entdeckt. Es wäre unklug, einen Zusammenhang mit Buchanans Erscheinen auszuschließen. Ich habe Anweisung gegeben, ihn zu erledigen, sobald er sich blicken läßt.«
    Drummonds greisenhafter Körper zitterte. »Nein. Ziehen Sie den Befehl zurück. Suchen Sie ihn. Vielleicht führt er uns zu ihr. Waren die beiden zusammen in Fort Bragg? Ermitteln Sie, welche Beziehung zwischen den beiden besteht.«

6
     
    Während des Fluges von San Antonio

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