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Der Mann mit den zwei Gesichtern

Der Mann mit den zwei Gesichtern

Titel: Der Mann mit den zwei Gesichtern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Runa Winacht , Maria G. Noel
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nicht wollte. Und das Kind dann natürlich auch nicht. Und was hatte die Frau, die sie untersucht hatte, erst gesagt? Sie solle sich den Mann ganz genau ansehen, der der Vater ihres Kindes sein sollte.
    Ganz genau das hatte sie nicht. Sie hatte nicht hingesehen, nur zu viel Wein getrunken und ganz und gar nicht hingesehen. Und das hatte sie nun davon.
    Sie sah auf die Uhr, schon halb sechs. Nur noch eine halbe Stunde bis zum Weckerklingeln. Da konnte sie auch gleich aufstehen. Sie musste sich sowieso Gedanken machen. Immerhin gab es einiges, was sich in nächster Zeit ändern würde.

Läuse und Röntgen
     
     
    Vor der Klinik traf sie Andrea. Heute hatten sie gleichzeitig Dienst.
    „Kann ich mal mit dir reden?“, fragte Franziska, während sie gemeinsam in den Umkleideraum gingen. Sie musste sich jemandem anvertrauen. Unbedingt.
    „Nach der Arbeit?“, fragte Andrea zurück. „Ich hab Dienst bis um fünf. Du könntest zu mir kommen.“
    Franziska nickte. Das war gut. „Das mache ich.“
    Sie folgte Andrea ins Schwesternzimmer, wo sich um diese Zeit, wie immer, alle Ärzte und Pflegekräfte der Station trafen, zur allmorgendlichen Patientenübergabe.
    Die Kollegen von der Nachtschicht waren noch, die von der Tagschicht schon da. Der Raum war voll. Stimmfetzen flogen umher. Franziska grüßte in die Runde und sah sich nach einem freien Stuhl um. Nichts. Dabei fühlte sie sich bereits wieder elend und hätte sich gerne hingesetzt. Der Tisch war noch frei, und sie lehnte sich an ihn. Das war immerhin etwas.
    „Bitte Ruhe.“ Tom hatte sich von seinem Platz erhoben. „Lasst uns anfangen.“
    Ein Stapel Akten lag vor ihm. „Zuerst zum akutesten Fall: Axel Lehmann, achtundzwanzig Jahre alt, Verdacht auf offene Tbc.“
    Franziska schnappte nach Luft. Offene Tuberkulose? Sie hatte den Mann gestern erst untersucht, er hatte sie angehustet. Sicher, Tuberkulose war nicht nur ansteckend, sondern auch heilbar. Mit einer Langzeit-Antibiotika-Therapie. Aber sie war schwanger.
    „Der Patient ist noch letzte Nacht auf die Isolierstation gebracht worden und wird heute in die Lungenfachklinik verlegt. Die Personen, die direkten Kontakt mit Herrn Lehmann hatten“, er sah zu Franziska herüber, „melden sich bitte umgehend bei mir. Sie werden in sechs Wochen zu einer Reihenuntersuchung eingeladen.“
    Röntgen! Franziska tanzten kleine Punkte vor Augen, ihr wurde schwindelig. Sie konnte sich jetzt nicht röntgen lassen.
    Doch die Hiobsbotschaften waren noch nicht zu Ende.
    „Außerdem sollen sich diese Personen dringend einer Pediculus-Prophylaxe unterziehen, da bei dem betreffenden Herrn Kopf- und Filzläuse gefunden wurden.“
    Tuberkulose, Röntgen, Läuse. Das war mehr, als Franziska ertragen konnte. Sie fühlte, wie ihr das Blut aus Kopf und Händen sackte, fühlte jähe Übelkeit. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
     
    *
     
    „Haltet sie.“ Tom war bei Franziska, noch während sie fiel – doch auch die beiden Ärzte, die direkt neben ihr gestanden hatten, hatten zugefasst.
    „Sie ist ohnmächtig“, keuchte einer der beiden, seinen Arm unter Franziskas Nacken schiebend, um sie zusammen mit seinem Kollegen zu tragen.
    „Nach nebenan“, ordnete Tom überflüssigerweise an, denn die beiden Männer hatten den Ruheraum schon fast erreicht.
    Er spürte die belustigten Blicke, die man ihm in seiner Sorge zuwarf, aber das war ihm vollkommen egal. Franziska war gestern nicht nur müde gewesen: Sie war krank. Und da hatte er ja wohl Grund dazu, besorgt zu sein.
    Auf die Liege , konnte er sich im letzten Moment verkneifen. Er war neben ihr und rückte das Kissen zurecht.  
    Franziska stöhnte.  
    Tom schob den im Weg stehenden Kollegen beiseite und legte ihr die Hand auf die Stirn. „Fieber hat sie keines.“
    „Ich messe ihren Blutdruck.“ Andrea zwängte sich an ihm vorbei.
    Seinen Impuls, ihr das Gerät aus der Hand zu nehmen, stoppte sie mit einer resoluten Bewegung ihres Ellenbogens. Na gut, sie konnte das auch. Die Gelegenheit für ihn, die überflüssigen Menschen aus dem Raum zu schicken. Wieder ließen die ihm bedeutungsvolle Blicke zukommen.
    Ach, du meine Güte, denkt, was ihr wollt . Vehement schloss er die Tür hinter ihnen.  
    „Neunzig zu sechzig“, tönte Andrea von hinten.
    Er eilte zu ihr. „Franziska, wie fühlst du dich?“, drängelte er sich wieder an Andrea vorbei. „Hast du Schmerzen? Auch einen Magen-Darm-Infekt? Was ist mit dir?“
    Die gab ein neues Stöhnen von sich. „Ich bin

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