Der Mann mit den zwei Gesichtern
es.“
„Auch welche, die erst wenige Millimeter groß sind?“ Viel mehr als ein Zellklumpen war dieser Embryo sicher noch nicht.
„Die ganz besonders“, lachte Andrea und trat ein. „Wie geht es dir? Etwas blass bist du noch um die Nase.“
„Es war halt alles ein bisschen viel“, sagte Franziska und ging zur Couch. „Magst du dich setzen? Ich mach uns einen Tee.“
„Seit wann weißt du denn schon, dass du schwanger bist?“, rief ihr Andrea durch die offene Küchentüre hinterher.
„Den Verdacht hatte ich schon ein paar Tage“, antwortete Franziska. „Aber den Test habe ich erst gestern Abend gemacht.“
Auf ein Tablett stellte sie zwei Tassen, Löffel und eine Zuckerdose, goss das mittlerweile kochende Wasser in die Kanne, trug alles zum Wohnzimmertisch und setzte sich in den der Couch gegenüberstehenden Sessel. „Seitdem diese Übelkeit eingesetzt hat. Die ersten Tage hab ich ja tatsächlich angenommen, ich hätte mir womöglich auch diesen Virus einfangen. Aber dann ...“
„Und, wer ist der Vater? Dieser geheimnisvolle Unbekannte?“
Brennendes Interesse lag in Andreas Blick.
„Na, glaubst du, ich war noch mit einem anderen Mann zusammen?“, fragte Franziska zurück und schüttelte vehement den Kopf. „Du kannst aber Fragen stellen.“
„Entschuldige“, sagte Andrea und zauberte ein kleinlautes Lächeln in ihr Gesicht. „Ich meine ja nur, wegen – Tom.“
Oh, das hatte Franziska völlig vergessen. Andrea war in Tom verliebt. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, wie es für Andrea wäre, wenn Tom ... „Du weißt, wie ich zu ihm stehe. Daran hat sich nichts geändert.“
Sichtlich erleichtert lehnte sich Andrea zurück und Franziska beeilte sich, Tee einzuschenken.
„Freust du dich?“, fragte Andrea vorsichtig, nachdem sie die gefüllte Tasse von Franziska in Empfang genommen hatte. „Ich meine, die Situation ist ja wohl nicht ganz einfach.“
„Du sagst es“, erwiderte Franziska. „Meine Gefühle schwanken hin und her. Aber eines ist sicher. Ich will dieses Kind bekommen. Ganz egal, wie die äußeren Umstände sind.“
„Was anderes hätte ich dir auch gar nicht zugetraut“, nickte Andrea. Sie hielt ihre Tasse vor sich und blies sachte hinein.
„Aber jetzt wirst du Kontakt mit Gerd aufnehmen, oder?“
Beinahe hätte Franziska gelacht. Andrea hatte gut reden oder gar nichts verstanden: „Ich kann keinen Kontakt mit ihm aufnehmen. Ich kenne doch nicht einmal seinen Nachnamen.“
„Herzchen.“ Andreas Stimme klang belustigt. „Halt mich doch nicht für doof. Du magst seinen Nachnamen nicht wissen – aber das Hotel, in dem ihr gewesen seid, kennt ihn schon, oder?“
Bingo! Franziska saß wie vom Blitz getroffen. Das Hotel. Das hatte sie vollständig vergessen. Gerd hatte sich damals eingetragen. Sie musste also nur dorthin, um seinen Namen endlich zu erfahren. Nichts leichter als das.
„Andrea, du bist ein Genie.“ Alle Müdigkeit und Erschöpfung war von Franziska gewichen, die Angst vor Tuberkulose und Läusen vergessen. Sie strotzte plötzlich nur so vor Energie, sprang auf und klatschte in die Hände: „Ich fahr sofort hin.“
„Nicht so schnell, junge Frau“, winkte Andrea energisch ab, sprang auf, packte Franziska an den Oberarmen und zog sie neben sich auf die Couch. „Erstens, meine Liebe, für den Rest des Tages bist du krank. Oder hast du etwa vergessen, dass du heute bereits ohnmächtig warst? Und zweitens, wie auch immer dieses Nest heißt, in das du zu fahren gedenkst, es ist mehr als zwei Stunden Fahrtzeit dorthin. Um da heute hin- und wieder zurückzufahren, ist es schon ein bisschen zu spät. Und drittens: Ein paar Gedanken solltest du dir vorher machen. Oder willst du allen Ernstes in dieses Hotel spazieren und nach der Adresse fragen?“
Franziska nickte, klar.
„Und dann?“
„Dann fahr ich sofort hin“, antwortete Franziska. „Was denkst denn du?“ Wo war denn das Problem? Sie würde augenblicklich zu Gerd fahren.
„Mensch Franzi, jetzt denk doch mal nach.“
Genau das tat sie in diesem Moment. Gerd hätte sich melden können. Franziska sackte ein Stück in sich zusammen. „Er will mich nicht.“
„Na, na“, Andreas Hand tätschelte tröstend auf ihrer herum. „Vielleicht gibt es einen handfesten Grund, warum er dich nicht wollen kann. Du weißt doch gar nichts über ihn. Er könnte eine pflegebedürftige Mutter haben, die er nicht alleine lassen kann.“
Ach, Andrea war süß. Nichtsdestotrotz war Franziska klar,
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