Der Mann mit den zwei Gesichtern
was Andrea meinte. Eventuell lebte Gerd nicht alleine. Vielleicht war er verheiratet und hatte bereits Kinder.
„Aber er muss es doch erfahren“, sagte sie. Aller Schwung war nun wieder weg und sie fühlte sich nur noch elend.
„Ja“, nickte Andrea. „Er muss es erfahren. Aber nicht heute.“
Nicht mehr heute. Okay. Mehr als drei Wochen waren vergangen, da kam es auf einen Tag mehr oder weniger auch nicht mehr an. „Morgen“, sagte Franziska.
Andrea nickte. „Morgen ist gut. Da hab ich frei und kann mitkommen.“
„Nee“, widersprach Franziska: „Das muss ich alleine machen.“
Doch Andrea schüttelte nur den Kopf. „Auf keinen Fall. Du wirst die lange Strecke nicht alleine fahren.“
Franziska warf Andrea einen skeptischen Blick zu. Ging es ihr wirklich nur um die Autofahrt? Oder wollte sie einfach dabei sein, wenn Franziska mit ansehen musste, dass Gerd bereits gebunden war? Sie nickte. „Gut, wir fahren morgen früh.“
Kleinvieh
„Gnnnnnn.“
Ein Knurren. Kroch auf ihn zu.
Er musste weg! Gleich würde sich das Tier auf ihn stürzen. Diese Fangzähne. Die triefenden Lefzen. Es wollte sein Blut, würde sein Fleisch von den Knochen reißen, ihn auffressen. Er musste ...
Es ist nur ein Traum. Ich bin im Bett, in Sicherheit, ich muss nur aufwachen!
Diese Erkenntnis brauchte einen langen Moment, bis er sie wirklich zu fassen bekam. Doch dann schaffte er es, seinerseits eine Art Knurren ausstoßend, und er riss sich heraus – aus dem Traum, es war bloß ein alberner Traum gewesen.
Er wollte endgültig erleichtert Luft holen – als ihm bewusst wurde, dass die Stimme, die er gehört hatte, real war. Ebenso wie die Hand, die sich da unheilverkündend über seine Brust schob, einen schweren Arm nach sich ziehend, dann einen ganzen Körper ...
Er konnte nicht anders, als dem übermächtigen Impuls nachzugeben. Sich mit einem unvermittelten Ruck zur Seite zu werfen, die Ellenbogen auszufahren, um alles, was da an ihm klebte, ein für allemal abzuschütteln!
„Gero? Was ist los? Hast du schlecht geträumt?“
Julia. Das, was da über ihn gekommen war, war sie gewesen.
„Hmmmmm.“ Und nun, wo er offiziell aufgewacht war, musste er sich ihr zuwenden. Seine Arme öffnen für ihren Körper – der noch klebte nach der sehr sportiven Nacht, die sie miteinander verbracht hatten. Währenddessen war er ja auch immer sehr angetan von ihr ... Er stöhnte vor Unwillen. Erst noch mal tief durchatmen. Und dann: Widerstrebend wälzte er sich auf die ihr zugewandte Seite.
„Du Armer, geht es dir nicht gut?“
„Nein, mein Kopf.“ Er presste beide Hände an die Stirn.
Stieß Julias damit wie aus Versehen von sich. „Es tut mir leid, Liebes, aber ich kann im Moment noch nicht.“
Sie wich sofort zurück. „Deine schlimmen Erinnerungen, ich weiß.“
Eine tapfer wegwerfende Geste. „Ach, wahrscheinlich nur ein Virus.“
„Jedenfalls geht es dir ja wirklich schlecht, du Armer. Ich würde sagen, dass du dich heute schonst. Und hier ausruhst. Während ich mich um dich kümmere.“
Da kam sie prompt mit weiteren Forderungen!
„Ich werde in der Kanzlei anrufen, dass ich krank bin und dann zur Apotheke und dann ...“
„Auf keinen Fall. Du wirst meinetwegen nicht schwänzen.“ Mit einem für seinen angeblich schmerzenden Kopf viel zu heftigen Schwung rappelte Gee-Bee sich auf und blieb dann ersatzweise in vorgetäuschtem Schwindel auf der Bettkante sitzen.
„Aber theoretisch könnte ich doch krank sein“, bettelte sie.
„Ich bleibe nicht hier.“ Zu schroff, zu wenig zu seiner Rolle passend. Er schickte ein gebeuteltes Stöhnen hinterher.
„Aber wo willst du denn hin?“
Er hatte sich einfach nicht im Griff, während Julias Hand über seinen Rücken krabbelte. Spannte den Bauch an. Atmete tief ein und aus.
„Zu deiner Exfrau etwa?“ Sie schmollte.
„Nein, natürlich nicht. Du weißt doch, dass ich sie nicht mehr ertragen kann, nachdem sie mich damals ...“ Er brach ab.
Besann sich vorsichtshalber noch einmal auf die Geschichte, die er ihr aufgetischt hatte. Vermögende Ehefrau, er eingestiegen in die Firma, Bankrott, Ehedrama, Rauswurf, Klage, Schulden, Einkommenspfändung.
„Nein, ich werde was nehmen und zur Arbeit gehen.“
„Aber du kannst doch nicht ...“
„Ich kann das Meeting heute nicht versäumen. Diesen Auftrag muss ich an Land ziehen, wenn ich jetzt auch noch meinen Job verliere, dann gehe ich ja ganz vor die Hunde.“
„Gero, wenn du doch aber
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