Der Mann mit den zwei Gesichtern
Telefonbuch.“ Andrea sah inzwischen mehr als ungehalten aus. „Und das darf jeder lesen.“
„Andrea“, versuchte sich Franziska einzumischen. „Frau Huber kann nichts dafür. Wenn es doch verboten ist.“
„Ach papperlapapp. Was soll denn daran verboten sein?“ Andreas' Gesicht färbte sich rötlich. Sie hatte ihren ent schlossenen Schwestern-Blick aufgesetzt und fixierte die junge Frau mit eng zusammengekniffenen Augen. „Es wird niemandem Schaden deswegen entstehen.“
„Ich muss Sie bitten zu gehen“, sagte Frau Huber zur Antwort und wies auf die Tür. „Bitte.“
„Komm“, sagte Franziska und wandte sich bereits um.
Doch sie hatte ihre Rechnung ohne Andrea gemacht. Die stand da, Arme in die Hüften gestemmt und holte tief Luft: „Jetzt will ich Ihnen mal was sagen, liebe Frau Huber. Diese Frau“, sie wies auf Franziska, die am liebsten augenblicklich in ein Mauseloch gekrochen wäre, „diese Frau ist hier in Ihrem Hotel schwanger geworden. Und jetzt muss sie wissen, wie der Kindsvater heißt. Oder wollen Sie vielleicht den Unterhalt übernehmen?“
Franziska fühlte die Schamesröte in ihr Gesicht schießen, fühlte ihre Knie beben, das Kinn zittern und die Lider flattern. Sie schämte sich entsetzlich, auf einmal nur noch dankbar dafür, dass gerade niemand anderer hier in der kleinen Empfangshalle war.
Doch Andreas laut geschriene Worte zeigten Wirkung. Wenn auch nicht unbedingt bei der jungen Frau Huber, die verschreckt dastand und sie beide anstarrte, als würde sie gerade von ihnen überfallen und ausgeraubt.
„Was ist denn hier los?“
Eine Tür war aufgegangen, und darin stand – die Wirtin.
Franziska, die nicht wusste, ob sie erschrocken oder erleichtert sein sollte, brach nun endgültig in Tränen aus.
„Was ist los?“
Das klang jetzt gar nicht mehr so unfreundlich.
„Mutter, die beiden da“, die junge Frau, offensichtlich die Tochter der Wirtin, deutete auf Franziska und Andrea, „wollen unbedingt ins Aufnahmebuch sehen.“
„Das ist aus Datenschutzgründen verboten“, bekamen sie nun wieder zu hören.
„Es ist aber wirklich wichtig.“ An Andrea schien die Peinlichkeit der Situation völlig vorübergegangen zu sein. „Wie ich es bereits Ihrer Tochter erklärt habe, hat meine Freundin hier bei Ihnen übernachtet – und jetzt ist sie schwanger.“
„Nun ja“, die Wirtin schien nicht genau einordnen zu können, worauf Andrea hinauswollte, wandte sich aber an Franziska. „Herzlichen Glückwunsch.“
„Sie missverstehen die Lage“, beharrte Andrea. „Wir müssen den Namen des Vaters herausfinden – und da drin steht er.“
Sie deutete auf das Buch, das die junge Frau Huber inzwischen an sich gepresst hielt.
„Sie wissen nicht, wie der Vater Ihres Kindes heißt?“
Der entrüstete Ausdruck im Gesicht der Wirtin war unübersehbar. „Also, dass es so was gibt.“
Franziska, die sich nur noch an dem Gedanken an das Mauseloch festhielt, schluckte, nickte, wischte sich über die Augen und zuckte zusammen, als sie hörte:
„Na, dann lassen Sie uns mal sehen.“ Die Wirtin streckte die Hand zu ihrer Tochter aus. „Wann waren Sie hier?“
„Vier ... vierzehnter August“, stotterte Franziska.
„Dann wollen wir mal.“ Die Frau blätterte ein wenig. „Ach ja. Das war der Tanzabend. Da war es hier voll.“
„Und laut.“
„Woher wissen Sie das?“, fragte die Wirtin und sah Andrea fragend an. „Waren Sie auch hier?“
„Das weiß sie von mir“, erklärte Franziska rasch, ehe Andrea wieder etwas sagen könnte, das sie, Franziska, dann bereuen würde.
Die Wirtin senkte die Augen. „An dem Abend waren alle Zimmer belegt. Welche Nummer hatten Sie?“
Franziska zuckte die Achseln. „Tut mir leid, darauf habe ich nicht geachtet.“
„Wie soll ich da den richtigen Namen herausfinden?“
„Es war die Luxussuite“, erinnerte sich Franziska plötzlich.
„Wir haben gar keine Luxussuite“, warf die junge Frau Huber ein.
„An solchen Abenden haben wir NUR Luxussuiten, Gudrun“, wandte sich ihre Mutter listig lächelnd an sie. Doch gleich darauf drehte sie sich wieder Franziska zu: „Wo war das Zimmer?“
„Es war eine Treppe oben am Ende eines langen Flures.“ Jetzt war ihre Stimme wieder fester.
„Der Anbau, Mutter“, sagte Gudrun. „Bestimmt Zimmer eins/sechs.“ Sie richtete sich direkt an Franziska. „Zwei Fenster?“
„Ja.“
„Na dann“, ein fester Zeigefinger wurde über die Zeilen geschoben. „Hier.“ Die Mutter
Weitere Kostenlose Bücher