Der Mann mit der dunklen Maske
auch überzeugt, dass wir nur mit Hilfe der Vergangenheit die Zukunft meistern werden. Und wenn es irgendetwas gibt, womit ich Gott, den Allmächtigen, der mich mit diesem Leben gesegnet hat, etwas zurückgeben kann, dann möchte ich mein Wissen und meine Erfahrungen den Menschen vermitteln … allen Menschen.
Obwohl wir entstaubt, gesäubert, katalogisiert und gepackt haben, konnten wir doch erst einen Teil der Schätze untersuchen. Ich bin erschöpft, aber so aufgeregt! Armer George. Selbst hier beschäftigt er sich mit irgendwelchen Geheimnissen von zu Hause. Während ich mich hier in die Arbeit stürze, redet er über Carlyle und wie gern er zurückmöchte, um herauszufinden, ob seine Erinnerung an unser schönes Schloss ihn nicht trügt.
Brian ließ das Tagebuch seiner Mutter sinken. Er hatte es immer und immer wieder gelesen und zwischen den Zeilen nach Hinweisen gesucht, ob sie ernsthafte Schwierigkeiten mit den Gelehrten gehabt hatte, die mit ihnen auf der letzten Expedition gewesen waren. Aber in ihrem Tagebuch war Lady Abigail immer freundlich gewesen.
Er nahm die Notizen über die Autopsie zur Hand, die er an diesem Nachmittag bekommen hatte, und versuchte nicht daran zu denken, in welchem Zustand sich die Leichen seiner Eltern befunden hatten, nachdem sie endlich in England eingetroffen waren. Wo genau waren seine Eltern auf diese Kobras gestoßen?
Er schloss die Augen. Eine Schublade? Hatte seine Mutter hineingefasst und war sofort gebissen worden? Sie hatte zwei Bisse in den Unterarmen gehabt. Hatten ihre Schreie seinen Vater alarmiert? Er wäre sofort zu ihr gelaufen und hätte sie verzweifelt in die Arme genommen.
Sie musste hingefallen sein. Das würde den Schädelbruch am Hinterkopf erklären. Also hatte sie aufgeschrien, war gestürzt, dann war sein Vater gekommen.
Aber wieso war sein Vater dann auch in die Arme gebissen worden? Wenn die Schlangen in einer Schublade gewesen waren und seine Mutter gestürzt und sein Vater ihr zur Hilfe geeilt war, wären die Schlangen … entweder noch in der Schublade gewesen oder auf dem Boden. In dem Fall wäre sein Vater in die Beine gebissen worden.
Erneut las Brian den Autopsiebericht. Sein Vater hatte einen kleinen Schnitt in der Kehle gehabt. Vielleicht ein kleiner Ausrutscher beim Rasieren? Und dann gab es da noch das seltsame Hämatom an der Schulter der Mutter.
Er legte die Notizen zur Seite und rieb sich über das Gesicht. In seinen privaten Gemächern war er froh, die Maske nicht tragen zu müssen. Gedankenverloren fuhr er mit den Fingern über die lange Narbe auf seiner Wange.
Er war von Anfang an sicher gewesen, dass seine Eltern ermordet worden waren. Der Mörder hatte dafür gesorgt, dass die Giftschlangen sich an einem Platz befanden, wo sie instinktiv zubeißen würden, bevor sie entdeckt werden konnten. Aber jetzt begann er sich zu fragen, ob der Mörder nicht selbst im Raum gewesen war. Hatten seine Eltern das Gesicht des Mörders gesehen und gewusst, was ihnen bevorstand?
Der Gedanke daran zerriss ihn förmlich. Er erschauerte. Zorn stieg in ihm auf und damit auch wieder jene Frage, die ihn so sehr marterte: Warum?
Irgendwo gab es eine Antwort. Und bei Gott, er würde sie finden.
„Oh, wie reizend“, rief die Frau aus und bat Camille in das kleine Landhaus. „Shelby, Liebster, Sie kommen doch auch herein?“
Camille wandte sich zu ihrem hünenhaften Begleiter um. Sie war etwas überrascht, dass man einen solchen Riesen „Liebster“ nennen konnte.
„Aber natürlich, Merry, wenn Sie nichts dagegen haben. Sie wissen, wie sehr ich Ihren Tee liebe. Und ich kann schon Ihr wundervolles Teegebäck riechen.“ Er räusperte sich. „Merry, dies ist Miss Camille Montgomery. Sie ist Wissenschaftlerin am Museum. Camille, darf ich Ihnen Merry vorstellen. Und die anderen beiden Mädchen Edith und Violet.“
Wieder musste Camille über die Wahl seiner Worte lächeln. Die „Mädchen“ waren alle sicher schon weit in ihren Sechzigern, dachte sie. Doch Shelby hatte Recht, sie so zu nennen, denn die Frauen sahen alle entzückend aus mit einem offenen, jungen Lächeln im Gesicht.
Und sie selbst konnte man wohl kaum als Wissenschaftlerin bezeichnen. Sie hatte keinerlei Zeugnisse, die so etwas bestätigen würden.
Violet war ziemlich groß und dünn, während Merry klein und ein bisschen untersetzt war mit einem großen Busen. Und Edith war irgendetwas dazwischen.
„Camille … was für ein entzückender Name. Ich möchte sagen, da hat
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