Der Mann mit der dunklen Maske
sofort wissen, als Camille zurückgekehrt war. Brian gab ihr Zeit, nach Tristan zu sehen und sich frisch zu machen, bevor er Evelyn zu ihr schickte, um sie in seine Gemächer zu bitten.
Der Tag hatte nicht viel Neues gebracht auf seiner Suche nach der Wahrheit, aber es hatten sich ein paar andere angenehme Überraschungen ergeben.
Zum einen, dass er Camille sehr unterhaltsam fand. Sie war schlagfertig und stand mit beiden Beinen mitten im Leben. Nein, es geht um mehr als nur gute Unterhaltung, dachte er.
Als er hörte, wie die Tür geöffnet wurde, drehte er sich schnell um. „Guten Abend, Miss Montgomery.“
„Ist es das, ein guter Abend?“ erwiderte sie.
„Ist es das nicht?“ erkundigte er sich. Sie hielt sich immer vollkommen gerade. Und wenn sie lief, schien sie dahinzugleiten. Heute strahlte sie allerdings hochmütige Verachtung aus.
„Es ist Abend, so viel ist sicher“, stimmte sie zu.
„Ist etwas passiert?“
„In der Tat. Mein Vormund befindet sich hier, und ich somit auch“, erklärte sie ihm. Sie deutete auf den Tisch. „Ich fürchte, im Museum ist heute nichts geschehen, was berichtenswert wäre, daher ist dieses Abendessen reine Zeitverschwendung.“
„Ich glaube, Sie irren sich“, erklärte er. „Vielleicht ist im Museum eine Menge geschehen, was Sie nur nicht bemerkt haben.“
„Mein Tag war jedenfalls langweilig“, erwiderte sie.
„Erzählen Sie mir davon. Mal sehen, ob ich Ihnen zustimmen kann.“
Er zog ihren Stuhl zurück. Sie fegte an ihm vorbei. Er runzelte die Stirn. Ihre offene Feindschaft verwirrte ihn. Als sie sich setzte, streifte ihn der Stoff ihres Kleides und eine Strähne ihres Haars kitzelte an seinen Fingern. Es überraschte ihn, dass sein Herz plötzlich schneller schlug, und er trat einen Schritt zurück, froh, dass sie von ihm abgewandt war. Er wusste nicht, ob seine Maske die Gefühle verbergen konnte, die ihn gerade packten. Einfach, direkt und vor allem sehr erotisch.
Sie war eine schöne, junge Frau, natürlich. Aber allein das konnte eine so heftige körperliche Reaktion doch nicht erklären.
Wütend auf sich biss er die Zähne zusammen. Dann ging er um den Tisch herum und zog seinen eigenen Stuhl zurück. „Gab es Schwierigkeiten mit den Schwestern? Ich kann es mir eigentlich kaum vorstellen.“
„Sie waren entzückend. Trotzdem verstimmt es mich, dass Sie mich dazu zwingen, mir ein Kleid machen zu lassen.“
Er goss Wein ein. Sie greift etwas zu schnell nach ihrem Glas, dachte er. Sie nahm sofort einen Schluck. Mehr als einen Schluck. Brauchte sie etwa Mut? Lag ihr etwas Ernstes auf der Seele, das sie ihm nicht erzählen wollte?
„Erzählen Sie mir von Ihrem Tag.“
„Ich bin zur Arbeit gegangen. Shelby kam um vier. Ich bin zum Maßnehmen gefahren.“
Er wählte seine Antwort mit Bedacht und versuchte, geduldig zu bleiben. „Was ist bei der Arbeit geschehen?“
„Ich habe gearbeitet.“
„Miss Montgomery …“
„Ich habe meine Übersetzung fortgeführt. Ich fürchte, dass die Zeichen von einem Fluch sprechen, der jeden trifft, der das Grab schändet. Und auch die Nachkommen. Bis in alle Ewigkeit.“
Er lächelte kalt. „Es ist mir wohl bewusst, dass ein Fluch normalerweise ewig ist. Haben Sie geglaubt, dass mich eine solche Nachricht aufregen würde? Ich glaube nicht an Flüche, Miss Montgomery. Ich glaube an das Böse, aber das kommt immer von den Menschen. Ich dachte, ich sollte das lieber erwähnen. Sie haben gearbeitet, Sie haben übersetzt. Und was noch?“
Sie zögerte kurz und nahm noch einen Schluck Wein. „Ich habe einen Zeitungsausschnitt gesehen. Von Ihren Eltern und den anderen bei der Grabung.“
„Aha“, murmelte er. „Und wo haben Sie den gesehen?“
„In der Schublade von Sir John.“
„Sehen Sie? Sie haben doch eine interessante Nachricht für mich.“
„Sir John ist kein Mörder“, sagte sie bestimmt.
„Ach! Soll das heißen, Sie glauben inzwischen auch, dass es vielleicht einen Mord gibt?“
Sie schlug die Augen nieder. Plötzlich beugte sie sich vor. „Nehmen wir an, jemand hat dafür gesorgt, dass sich die Kobras dort befanden, wo Ihre Eltern waren. Wir werden es nie sicher wissen! Man wird so eine heimtückische Tat nie beweisen können. Sie quälen sich also nur und zwar völlig unnütz.“
Für einen Moment schien die Mauer der Abwehr, die sie an diesem Abend vor sich hertrug, eingerissen zu sein. Aber sofort versteifte sie sich wieder, als täte es ihr schon Leid, dass sie ihm echtes
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