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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Stelle bei der Post aufgeben.«
»Aufgeben?«
»Jawohl, aufgeben.«
»Und Sie sind fest angestellter Briefträger?«
»Ja», sagte ich.
» Tsk, tsk, tsk, tsk, tsk, tsk, tsk, tsk«, machte sie mit ihren trockenen Lippen.
Sie gab mir die entsprechenden Formulare, und ich saß nun da und füllte sie aus.
»Wie lange sind Sie schon bei der Post?«
»Dreieinhalb Jahre.«
»Tsk, tsk, tsk, tsk, tsk, tsk, tsk, tsk«, machte sie, »tsk, tsk, tsk, tsk.«
Und ich hatte es hinter mir. Ich fuhr heim zu Betty, und wir machten die Flasche auf.
    Wir hatten ja keine Ahnung, daß ich ein paar Jahre später zur Post zurückkehren und fast zwölf Jahre lang krumm auf einem Hocker sitzend dableiben würde.
    ZWEI
    Inzwischen tat sich allerhand. Ich hatte eine lange Glücks- strähne auf der Pferderennbahn. Mein Selbstvertrauen wuchs dort draußen. Ich setzte mir für jeden Tag ein be- stimmtes Ziel, so zwischen fünfzehn und vierzig Dollar. Man darf nur nicht zuviel wollen. Wenn es am Anfang nicht gleich klappte, setzte ich eben ein bißchen mehr, ge- rade soviel, daß ich, falls das richtige Pferd gewann, den erwünschten Gewinn einstreichen konnte. Ich ging immer wieder hin, jeden Tag, gewann regelmäßig, und noch be- vor ich aus dem Wagen stieg, zeigte ich Betty den erhobenen Daumen.
    Dann trat Betty eine Stelle als Schreibkraft an, und wenn eine Puppe erst mal zur Arbeit geht, läuft gleich alles ganz anders. Wir tranken auch weiterhin jeden Abend, und am Morgen ging sie vor mir aus dem Haus, restlos verkatert. Jetzt wußte sie wenigstens, wie das war. Ich stand vielleicht um halb elf auf, genoß in aller Ruhe eine Tasse Kaffee und ein paar Eier, spielte mit dem Hund, flirtete mit der jun- gen Frau eines Schlossers, die im Hinterhaus wohnte, schloß Freundschaft mit einer Stripperin, die im vorderen Teil des Hauses wohnte. Um eins war ich auf der Rennbahn, kam mit Profit wieder zurück, und dann mit dem Hund zur Bushaltestelle, um Betty abzuholen. Es war ein gutes Leben.
    Dann rückte eines Abends Betty, meine Liebe, damit raus, beim ersten Glas:
»Hank, ich hält's nicht aus!«
»Du hältst was nicht aus, Baby?«
»Die ganze Lage.«
»Welche Lage denn, Kleines?«
»Daß ich arbeite, während du auf der faulen Haut liegst. Die Nachbarn denken alle, ich halte dich aus«.
»Scheiße, ich hab doch auch gearbeitet, während du auf der faulen Haut gelegen hast.«
»Das ist was anderes. Du bist ein Mann, ich bin eine Frau.«
»So, das ist ja ganz was Neues. Ihr Weiber schreit doch sonst immer nach Gleichberechtigung?«
»Glaubst du, ich weiß nicht, was hier vor sich geht, mit die- ser kleinen Schlampe aus dem Hinterhaus, die hier dauernd vor dir rumspaziert und dabei ihre Titten raushängt...«
»Ihre Titten raushängt?«
»Jawohl, ihre TITTEN! Ihre großen weißen Titten, so groß wie bei einer Kuh!«
»Hmm... Du hast eigentlich recht, die sind ganz schön groß.«
»Aha! Du gibst es also zu!«
»Was denn, zum Teufel?«
»Ich habe Freunde hier. Die sehen ja, was vor sich geht!«
»Das sind keine Freunde, das sind nur hinterhältige Klatschbasen.«
»Und die Hure da vorne, die sich als Tänzerin ausgibt.«
»Sie ist eine Hure?«
»Die vögelt doch alles, was einen Schwanz hat.«
»Du bist ja übergeschnappt.«
»Ich will bloß nicht, daß alle Leute glauben, ich halte dich aus. Die ganzen Nachbarn...«
»Ich scheiß auf alle Nachbarn! Seit wann kümmern wir uns darum, was die denken? Und überhaupt bin ich es, der die Miete zahlt. Bin ich es, der für unser Essen aufkommt! Ich bring das Geld von der Rennbahn heim. Dein Geld gehört dir. Du hast es noch nie so gut gehabt.«
»Nein, Hank, ich mache Schluß. Ich halt's nicht mehr aus.«
Ich stand auf und ging zu ihr rüber.
»Komm, komm, Baby, du bist heute abend nur ein biß- chen durcheinander.«
Ich versuchte, sie in die Arme zu nehmen. Sie schob mich weg.
»Also gut, verdammt noch mal!« sagte ich.
Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl, trank mein Glas leer, füllte wieder auf.
»Ich mache Schluß«, sagte sie, »ich schlafe auch nicht eine Nacht mehr mit dir.«
»Schon gut, schon gut. Behalt doch deine Muschi. So toll ist sie nun auch wieder nicht.«
»Willst du die Wohnung behalten oder willst du, daß ich ausziehe?« fragte sie.
»Behalt die Wohnung.«
»Und was machen wir mit dem Hund?«
»Behalt den Hund«, sagte ich.
»Er wird dich vermissen.«
»Freut mich, daß mich wenigstens einer vermissen wird.«
Ich stand auf, ging zum Auto und mietete die erste Woh- nung, die ich fand.

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