Der Mann mit der Ledertasche.
letzter Kraft stemmte ich mich vom Boden und sprang über den Zaun. Ich kletterte nicht rüber. Ich segelte rüber. Und landete in einem Graben, auf meinem Rücken, während eins dieser Viecher seinen Kopf über den Zaun streckte und auf mich herunterblickte.
Im Auto bogen sie sich alle vor Lachen. Sie meinten, so was Lustiges hätten sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen. Joyce lachte lauter als die beiden anderen zu- sammen.
Die blöden Viecher gingen eine Weile im Kreis herum und trotteten dann davon.
Ich rappelte mich aus dem Graben hoch und stieg ins Auto.
»So, jetzt hab ich die Büffel gesehen«, sagte ich. »Jetzt brauche ich was zu trinken.«
Sie lachten während der ganzen Fahrt in die Stadt. Kaum hatten sie aufgehört, fing wieder einer an, und die anderen machten mit. Einmal mußte Wally das Auto anhalten. Er konnte nicht mehr fahren. Er machte die Tür auf, ließ sich aus dem Wagen fallen und wälzte sich lachend am Boden. Sogar Oma kam auf ihre Kosten, zusammen mit Joyce.
Später sprach sich die Geschichte im Ort herum, und mein Auftreten wurde etwas weniger forsch. Ich mußte mir die Haare schneiden lassen. Ich erwähnte es Joyce gegenüber.
Sie sagte: »Geh zum Friseur.«
Und ich sagte: »Ich kann nicht. Die Büffel.«
»Hast du vor diesen Männern beim Friseur Angst?«
»Die Büffel«, sagte ich.
Joyce schnitt mir die Haare.
Es ging gründlich daneben.
Dann wollte Joyce wieder in die Großstadt zurück. Bei allen Nachteilen war mir diese kleine Stadt, mit oder ohne Haarschneiden, lieber als die Großstadt. Hier war es ruhig. Wir hatten unser eigenes Haus. Joyce fütterte mich gut. Eine Menge Fleisch. Üppiges, gutes, gutgekochtes Fleisch. Das muß ich dem Weibsbild lassen. Kochen konnte sie. Sie kochte besser als alle Frauen, die ich je kannte. Essen ist gut für die Nerven und die Seele. Der Mut kommt aus dem Bauch - alles andere ist Verzweiflung.
Aber nein, sie wollte weg. Oma machte dauernd an ihr rum, und sie ärgerte sich prompt darüber. Mir machte es eher Spaß, den Gauner zu spielen. Ich hatte ihren Vetter, vor dem die ganze Stadt Angst hatte, dazu gebracht, klein beizugeben. Das hatte noch nie einer geschafft. Am Blue- Jeans-Tag sollte jeder im Ort Blue Jeans tragen, oder er wurde in den See geworfen. Ich zog meinen einzigen Anzug und eine Krawatte an, und dann ging ich, wie Billy the Kid, langsam, unter den Augen der gesamten Einwohnerschaft, durch die Stadt und betrachtete mir die Schaufenster und kaufte hier und da eine Zigarre. Ich zerbrach die Stadt in zwei Hälften, wie ein Streichholz.
Später traf ich den Doktor auf der Straße. Ich mochte ihn. Er war immer high, immer unter Drogenwirkung. Ich war zwar kein Drogen-Mann, aber ich wußte, wenn ich mich mal für ein paar Tage vor mir selbst verstecken mußte, dann konnte ich von ihm alles bekommen, was ich nur wollte.
»Wir müssen weg von hier«, sagte ich ihm.
»Sie sollten hierbleiben«, sagte er, »das Leben hier ist nicht schlecht. Ideal zum Jagen und Fischen. Gute Luft. Und man ist sein eigener Herr. Die ganze Stadt gehört Ihnen«, sagte er.
»Ich weiß, Doktor, aber sie hat die Hosen an.«
Opa stellte also Joyce einen fetten Scheck aus, es war so weit. Wir mieteten ein kleines Haus an einem Hang, und dann kam Joyce mit diesem blöden moralischen Zeug.
»Wir sollten beide arbeiten gehen«, sagte Joyce, »um ihnen zu beweisen, daß du es nicht auf ihr Geld abgesehen hast. Um ihnen zu beweisen, daß wir auf ihre Hilfe nicht angewiesen sind.«
»Baby, du gehst nicht mehr in den Kindergarten. Jeder Idiot kann irgendwie Arbeit finden; nur ein weiser Mann schafft es, sich ohne Arbeit durchzuschlagen. Hier draußen nennt man so was einen Lebenskünstler. Ich möchte es als Lebenskünstler zu etwas bringen.«
Sie ging überhaupt nicht darauf ein.
Dann erklärte ich ihr, wenn ich kein Auto hätte, könnte ich unmöglich Arbeit finden. Joyce hängte sich ans Telefon, und Opa schickte das Geld. Bevor ich wußte, wie mir ge- schah, saß ich in einem neuen Plymouth. In einem sauberen neuen Anzug und 40-Dollar-Schuhen schickte sie mich los, und ich sagte mir, ach was, Scheiße, ich will versuchen, die Sache möglichst lange auszudehnen. Packer, das war mein Job. Wenn man überhaupt nichts gelernt hatte und tun konnte, dann wurde man das — Packer, Lagerarbeiter, Mäd- chen für alles. Ich fand zwei Anzeigen, ging zu zwei Firmen, und beide stellten mich an. Die erste roch nach Arbeit, also nahm ich die zweite.
Da war ich also, mit
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