Der Mann mit der Ledertasche.
meiner Aufklebermaschine, in einem Antiquitätenladen. Es war leicht. Es gab nur Arbeit für ein oder zwei Stunden am Tag. Ich hörte Radio, baute mir aus Sperrholz ein kleines Büro, stellte einen Schreibtisch hinein, das Telefon, und dann saß ich herum und las die Berichte von der Pferderennbahn. Manchmal wurde es mir langweilig, und dann ging ich hinunter zum Cafe an der Ecke, setzte mich an einen Tisch, trank Kaffee, aß Kuchen und flirtete mit den Bedienungen.
Die Lastwagenfahrer kamen herein:
»Wo ist Chinaski?«
»Er ist unten im Cafe.«
Dann kamen sie herunter, tranken eine Tasse Kaffee mit mir, und dann gingen wir zusammen ins Geschäft zurück und brachten es hinter uns, luden ein paar Kisten auf oder ab. Irgendwas mit einem Frachtbrief.
Sie dachten gar nicht daran, mir zu kündigen. Sogar die Verkäufer mochten mich. Sie klauten alles, was nicht niet- und nagelfest war, aber ich verriet nichts. Das war ihr Spielchen. Es interessierte mich nicht. Ich war kein kleiner Dieb. Ich wollte entweder die ganze Welt oder gar nichts.
6
Dieses Haus am Hang roch irgendwie nach Tod. Ich wußte es gleich am ersten Tag, als ich durch die Tür mit dem Fliegengitter in den Hinterhof ging. Ein Surren Schwirren Summen Wimmern begrüßte mich: Zehntausend Fliegen erhoben sich alle gleichzeitig in die Lüfte. In allen Hinter- höfen gab es diese Fliegen - überall wuchs dieses hohe grüne Gras, darin nisteten sie, waren ganz verrückt danach.
Ach du großer Gott, dachte ich, und weit und breit keine Spinne!
Während ich noch dastand, kehrten die zehntausend Flie- gen aus dem Himmel zurück, ließen sich im Gras nieder, auf dem Zaun, auf dem Boden, in meinen Haaren, auf mei- nen Armen, überall. Eine der frecheren stach mich.
Ich fluchte, lief davon und kaufte den größten Insekten- spray, den ich überhaupt finden konnte. Stundenlang kämpfte ich mit ihnen, wir hatten eine wilde Schlacht mit- einander, die Fliegen und ich, und Stunden später, hustend und halbkrank von dem Gift, schaute ich mich um, und da waren so viele Fliegen wie zuvor. Ich glaube, für jede, die ich umbrachte, brüteten sie in dem hohen Gras schnell zwei neue aus. Ich gab es auf.
Das Schlafzimmer hatte einen Raumteiler, der das Bett vom Rest des Raumes abschirmte. Darauf standen Blumen- töpfe, und in den Töpfen wuchsen Geranien. Als ich zum ersten Mal mit Joyce ins Bett stieg und zu bumsen anfing, stellte ich fest, daß die Bretter schwankten und wackel- ten.
Dann plumps.
»Auu!« sagte ich.
»Was ist denn jetzt los?« fragte Joyce. »Nicht aufhören! Nicht aufhören!«
»Baby, ein Topf mit Geranien ist eben auf meinem Arsch gelandet.«
»Nicht aufhören! Mach weiter!«
»Schon gut, schon gut!«
Ich stocherte drauflos, kam einigermaßen in Fahrt, dann —
»Au, scheiße!«
»Was ist denn? Was ist denn?«
»Wieder ein Topf mit Geranien, Baby, direkt ins Kreuz, dann ist er auf meinen Arsch zu gerollt und auf den Boden gefallen.«
»Ich scheiß auf die Geranien! Mach weiter! Mach weiter!«
»Aber bitte, sicher...«
Die ganze Zeit, während wir bumsten, fielen dauernd diese Töpfe auf mich herunter. Es war, als vögle man wäh- rend eines Luftangriffs. Schließlich schaffte ich es dann doch.
Später sagte ich: »Hör mal, Baby, wir müssen irgendwas mit diesen Geranien tun.«
»Nein, du rührst sie nicht an!«
»Warum, Baby, warum?«
»Weil sie das Vergnügen noch steigern.«
»Steigern?«
»Ganz richtig.«
»Du bist ja verrückt.«
Sie kicherte nur. Doch die Töpfe blieben auf dem Regal, oder doch die meiste Zeit.
7
Dann fing ich an, unzufrieden nach Hause zu kommen. »Was ist denn los, Hank?«
Ich mußte mich jeden Abend besaufen.
»Der Manager ist schuld, Freddy. Er pfeift dauernd dieses
Lied. Er pfeift es morgens, wenn ich komme, er pfeift es den ganzen Tag, und wenn ich abends weggehe, pfeift er es immer noch. Und das seit zwei Wochen!«
»Was für ein Lied ist es denn?«
»Around The World in Eighty Days. Ich hab das Lied noch nie leiden können.«
»Dann such dir eben eine andere Stelle.«
»Das tu ich auch.«
»Du bleibst aber dort, bis du einen anderen Job gefunden hast. Wir müssen ihnen beweisen, daß...«
»Schon gut. Schon gut!«
8
An einem Nachmittag traf ich einen alten Säufer auf der Straße. Ich kannte ihn noch aus den Tagen mit Betty, als wir zusammen oft nacheinander die verschiedenen Bars ab- klapperten. Er erzählte mir, er habe jetzt eine feste Stelle im Postamt, die Arbeit sei ganz leicht.
Das war eine der größten,
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