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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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aufmerksam machen. Jeder Korb mit dieser Sorte von Post muß in 23 Minuten verteilt werden. Das ist die Mindest- leistung. Dann wollen wir doch jetzt mal, nur zum Spaß, sehen, ob wir alle diese Mindestleistung schaffen! Achtung, ein, zwei drei... LOS!«
Was zum Teufel soll denn das? dachte ich. Ich bin müde.
Jeder Korb war vielleicht sechzig Zentimeter lang. Aber jeder Korb enthielt eine unterschiedliche Menge Briefe. Manche Körbe hatten zwei- oder dreimal soviel Post wie andere, je nach Größe der Briefe.
Arme fingen an, über die Briefe herzufallen. Angst vor dem Versagen.
Ich ließ mir Zeit.
»Wenn Sie mit dem ersten Korb fertig sind, fangen Sie gleich mit dem nächsten an!«
Sie strengten sich unheimlich an. Dann sprangen sie auf und holten sich den nächsten Korb.
Der Aufseher blieb hinter mir stehen. »Sehen Sie«, sagte er und zeigte auf mich, »dieser Mann leistet was. Er hat seinen zweiten Korb schon halb verteilt!«
Es war mein erster Korb. Ich wußte nicht, ob er versuchte, mich hereinzulegen oder nicht; aber da ich einen solchen Vorsprung vor den anderen hatte, schlug ich ein noch ge- mächlicheres Tempo an.
    13
    Um halb vier waren meine zwölf Stunden abgelaufen. Damals bekamen Aushilfen noch keinen Zuschlag für Über- stunden. Man wurde dafür einfach normal bezahlt. Und man wurde als »vorläufiger Aushilfsbeamter auf unbe- stimmte Zeit« angestellt.
    Ich stellte meinen Wecker so, daß ich morgens um acht im Antiquariat sein konnte.
»Was war denn, Hank? Wir haben schon geglaubt, du seist in einen Unfall verwickelt worden. Wir haben dauernd dar- auf gewartet, daß du zurückkommst.«
»Ich kündige.«
»Du kündigst?«
»Ja, oder wollt ihr einem einen Vorwurf machen, der sich verbessern will?«
Ich ging ins Büro und bekam meinen Scheck. Ich war end- gültig wieder bei der Post.
    14
    Und da war immer noch Joyce, mit ihren Geranien und etlichen Millionen, falls es mir gelang, bei der Stange zu bleiben. Joyce und die Fliegen und die Geranien. Ich arbei- tete die Nachtschicht, zwölf Stunden, und sie fummelte tags- über an mir herum und versuchte, das Letzte aus mir heraus- zuholen. Ich wachte immer wieder aus dem tiefsten Schlaf auf, weil mich diese Hand streichelte. Dann mußte ich es tun. Das gute Mädchen war verrückt.
    Dann kam ich eines Morgens nach Hause, und sie sagte: »Hank, sei mir nicht böse.«
Ich war zu müde, um ihr böse zu sein.
»Was issen, Baby?«
»Ich habe uns einen Hund besorgt. Einen jungen Hund.«
»Okay. Das ist nett. Hunde sind in Ordnung. Wo ist er?«
»Er ist in der Küche. Ich habe ihn Picasso getauft.«
Ich ging in die Küche und betrachtete den Hund. Er konnte nichts sehen. Haare fielen ihm über die Augen. Ich sah zu, wie er sich bewegte. Dann hob ich ihn auf und schaute ihm in die Augen. Armer Picasso!
»Baby, weißt du, was du da angestellt hast?«
»Du magst ihn nicht?«
»Ich habe nicht gesagt, daß ich ihn nicht mag. Aber er ist schwachsinnig. Er hat einen I. Q. von vielleicht 12. Du hast einen Idioten von einem Hund heimgebracht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß das, weil ich ihn angeschaut habe.«
In dem Augenblick fing Picasso an zu pissen. Picasso war voller Pisse. In langen gelben Bächlein lief es über den Küchenboden. Dann war Picasso fertig, drehte sich um und betrachtete sich sein Werk.
Ich hob ihn auf.
»Wisch es auf.«
Picasso war also nur noch ein zusätzliches Problem.
Als ich nach einer 12-Stunden-Nacht aufwachte, weil mich Joyce unter den Geranien in Fahrt brachte, sagte ich:
»Wo ist Picasso?«
»Ach, zum Teufel mit Picasso!« sagte sie.
Ich kletterte aus dem Bett, nackt, mit diesem großen Ding vor meinem Bauch.
»Sag bloß, du hast ihn schon wieder im Hof draußen gelassen! Ich hab dir doch gesagt, du sollst ihn tagsüber nicht im Hof lassen!«
Dann ging ich hinaus in den Hinterhof, nackt, zu müde, mich anzuziehen; er war ziemlich gut abgeschirmt. Und da war der arme Picasso, mit fünfhundert Fliegen bedeckt, in kleinen Kreisen krochen sie überall auf ihm herum. Ich lief mit meinem Ding (das jetzt kleiner wurde) hinaus und ver- fluchte diese Fliegen. Sie saßen ihm in den Augen, unterm Haar, in den Ohren, auf den Geschlechtsteilen, im Maul... überall. Und er saß einfach da und lächelte mir zu. Lachte mir zu, während ihn die Fliegen auffraßen. Vielleicht wußte er mehr als wir alle zusammen. Ich hob ihn auf und trug ihn ins Haus.
    »... the little dog laughed to see such sport;
And the dish ran away with the

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