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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Gegengerade eine Führung von eineinviertel Längen. Das Feld folgte. Sie nahmen an, die 6 würde bis ausgangs der Kurve führen, dann plötzlich zum Spurt ansetzen, und auf der Zielgeraden würden sie sie dann überspurten. Das war der übliche Ablauf. Aber der Trainer hatte seinem Jungen andere Anweisungen ge- geben. Im Scheitelpunkt der Kurve gab der Junge die Zügel frei, und das Pferd machte einen Satz. Bevor die anderen Jockeys ihre Pferde anspornen konnten, hatte die 6 einen Vorsprung von vier Längen. Am Eingang der Zielgeraden gab der Junge seinem Pferd eine kleine Verschnaufpause, schaute sich um und drückte dann wieder aufs Tempo. Noch lag ich gut im Rennen. Dann löste sich der Favorit, 9:5, aus dem Feld, und der Scheißkerl war schnell. Der Abstand wurde zusehends kleiner. Es sah so aus, als würde er ohne Widerstand an meinem Pferd vorbeigehen. Der Favorit hatte die Nummer 2. Nach der Hälfte der Geraden war die 2 noch eine halbe Länge hinter der 6, dann griff der Junge auf der 6 zur Peitsche. Der Junge auf dem Favoriten hatte die ganze Zeit schon mit der Peitsche gearbeitet. In diesem Abstand galoppierten sie dem Ziel entgegen, eine halbe Länge auseinander, und daran änderte sich nichts mehr. Ich schaute zur Anzeigetafel. Mein Pferd war inzwischen 8:1.
    Wir gingen zur Bar zurück.
»Das beste Pferd hat diesmal nicht gewonnen«, sagte Vi. »Mich interessiert nicht, wer der Beste ist. Ich will nur die Nummer, die zuerst durchs Ziel geht. Bestell was.«
    Wir bestellten.
    »Na schön, Alleswisser. Dann wollen wir doch sehen, ob du nochmals gewinnst.«
»Ich sag dir doch, Baby, nach Beerdigungen bin ich nicht zu bremsen.«
Sie drückte wieder Bein und Brust an mich. Ich nahm einen kleinen Schluck Scotch und widmete mich der Vor- schau. Drittes Rennen.
Ich überflog die Vorschau. Sie wollten das Publikum an dem Tag gewaltig verschaukeln. Eben hatte es einen Start- Ziel-Sieg gegeben, und im Moment hielt die Menge recht wenig von einem Spurter, der erst am Schluß stark wird. Die Menge kann nie weiter als bis zum letzten Rennen zurückdenken. Das geht zum Teil auf die 25-minütige Pause zwischen den Rennen zurück. Sie sind noch ganz beeindruckt von dem, was sich eben abgespielt hat.
Das dritte Rennen ging über sechs Achtelmeilen. Jetzt war der Tempomacher, das Pferd, das sofort an die Spitze geht, Favorit. Es hatte das letzte Rennen über sieben Achtel- meilen um Nasenlänge verloren, nachdem es die ganze Ziel- gerade noch geführt hatte und sich erst im allerletzten Augenblick geschlagen geben mußte. Die Nummer 8 war das Pferd mit dem Endspurt. Es war an dritter Stelle einge- kommen, eineinhalb Längen hinter dem Favoriten, und es hatte auf der Geraden zwei Längen aufgeholt. Die Menge sagte sich, wenn die 8 den Favoriten auf sieben Achtel- meilen nicht eingeholt hatte, wie zum Teufel sollte er es dann auf der kürzeren Strecke schaffen? Die Menge ging immer bankrott nach Hause. Das Pferd, das die sie- ben Achtelmeilen gewonnen hatte, war heute nicht im Rennen.
»Diesmal wird's die Nummer 8«, sagte ich zu Vi.
»Die Strecke ist für ihn zu kurz. Mit einem Endspurt ist da nichts zu machen«, sagte Vi.
Die Nummer 8 wurde in der Vorschau mit 6:1 gewettet, inzwischen waren die Wetten auf 9:1 gestiegen.
Ich strich das Geld vom letzten Rennen ein und setzte dann zehn Dollar auf den Sieg von Nummer 8. Wenn man zuviel auf ein Pferd setzt, verliert es. Oder man bekommt plötzlich Angst und zieht sein Geld zurück. Zehn Dollar waren eine saubere, angenehme Sache.
Der Favorit sah gut aus. Er kam als erster vom Start weg, kam als erster nach innen und hatte im Nu zwei Längen Vorsprung. Die 8 lief weit außen, auf dem vorletzten Platz, und arbeitete sich langsam nach innen. Der Favorit sah auch noch am Eingang der Zielgeraden gut aus. Der Junge auf der Nummer 8 ging jetzt nach außen, er lag an fünfter Stelle, fing an die Peitsche einzusetzen. Dann wurde der Galopp des Favoriten kürzer. Er hatte die erste Viertel- meile in 22,8 Sekunden geschafft, doch nach der Hälfte der Zielgeraden hatte er immer noch zwei Längen Vorsprung. Dann flog die Nummer 8 richtiggehend vorbei und gewann mit zweieinhalb Längen. Ich blickte zur Anzeigetafel. Es war beim 9:1 geblieben.
Wir gingen zur Bar zurück. Vi drückte nun wirklich ihren Körper an mich.
Ich gewann drei der letzten fünf Rennen. Damals gab es nur acht Rennen am Tag, nicht neun. Aber acht Rennen waren ohnehin genug an diesem Tag. Ich kaufte mir ein paar Zigarren,

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