Der Mann mit der Ledertasche.
Wirklichkeit mit einem Arzt verheiratet, doch der Doktor verstand nichts von der Oper, ja er machte sich nicht mal was aus so einfachen Sachen wie Ravels Bolero. Oder de Kallas Dreispitz. Ich hielt es da mit dem Doktor.
Aus dem Aufeinandertreffen dieser zwei wahrhaft sen- siblen Seelen entwickelte sich etwas. Sie trafen sich bei Kon- zerten und gingen anschließend zu einer kurzen Nummer ins Hotel. (Das wurde nur vage angedeutet und nicht offen ausgesagt, denn die beiden waren so sensibel, sie konnten nicht einfach ficken.)
Nun, es ging zu Ende. Die arme schöne Kreatur liebte ihren Mann, und sie liebte den Helden (Janko). Sie wußte nicht mehr weiter, und so verübte sie natürlich Selbstmord. Sie ließ den Doktor und Janko allein zurück, jeder für sich in seinem Bad stehend.
Ich sagte zu ihm: »Der Anfang ist gut. Aber du mußt den Dialog nach dem Zusammenstoß hinter der Säule heraus- nehmen. Der ist unmöglich...
»NEIN!« sagte er. »NICHTS WIRD GEÄNDERT!« ...
Die Monate verstrichen, und der Roman kam immer wie- der.
»HIMMEL HERRGOTT!« sagte er, »ICH KANN DOCH NICHT NACH NEW YORK UND DEN VERLEGERN DIE HÄNDE SCHÜTTELN!«
»Hör mal, Kleiner, warum gibst du deinen Job hier nicht auf? Nimm dir ein kleines Zimmer und schreib. Feil daran.«
»EIN TYP WIE DU KANN DAS MACHEN«, sagte er, »WEIL DU AUSSIEHST WIE EIN SÄUFER. DICH STEL- LEN SIE ÜBERALL EIN, WEIL SIE SICH SAGEN, DER BEKOMMT SONST KEINE STELLE, DER BLEIBT BEI UNS. MICH STELLEN SIE NICHT EIN, WEIL SIE MICH ANSCHAUEN UND SEHEN, WIE INTELLIGENT ICH BIN, UND SIE SAGEN SICH, NUN, SO EIN INTELLIGEN- TER MANN WIE DER BLEIBT NICHT BEI UNS, WIR BRAUCHEN IHN ALSO GAR NICHT ERST EINZUSTEL- LEN.«
»Ich bleib dabei, nimm dir ein kleines Zimmer und schreib.«
»ICH BRAUCHE ABER EIN GEFÜHL DER SICHER- HEIT!«
»Nur gut, daß einige Leute nicht so gedacht haben. Nur gut, daß Van Gogh nicht so gedacht hat.«
»VAN GOGHS BRUDER HAT IHM KOSTENLOS FARBE BESCHAFFT!« sagte der Junge zu mir.
VIER
Dann entwickelte ich ein neues System auf der Rennbahn. Obwohl ich nur zwei-, dreimal in der Woche hinging, kas- sierte ich in eineinhalb Monaten $ 3000. Ich fing an zu träumen. Ich sah ein kleines Haus unten am Meer. Ich sah mich in feinen Kleidern, ruhig und ausgeglichen, sah mich morgens aufstehen, in meinen Importwagen steigen und gemütlich die kurze Strecke zur Rennbahn fahren. Ich sah geruhsame Steak-Dinners, und vorher und nachher gute eis- gekühlte Drinks aus farbigen Gläsern. Das dicke Trinkgeld. Die Zigarre. Und Frauen nach Wunsch. Man kommt leicht auf solche Gedanken, wenn einem der Mann am Schalter große Geldscheine zuschiebt. Wenn man in einem Drei- viertelmeilenrennen, also etwa in einer Minute und sechs Sekunden, ein Monatsgehalt verdient.
Und so stand ich im Büro des diensthabenden Inspektors. Er war auf der anderen Seite des Schreibtisches. Ich hatte eine Zigarre im Mund und roch nach Whisky. Ich roch Geld, und ich roch nach Geld.
»Mr. Winters«, sagte ich, »die Post hat mich gut behan- delt. Aber es gibt da gewisse geschäftliche Dinge, die ich unbedingt erledigen muß. Wenn Sie mich nicht auf längere Zeit beurlauben können, muß ich in den Ruhestand treten.«
»Habe ich Ihnen nicht schon einmal in diesem Jahr Ur- laub gegeben, Mr. Chinaski?«
»Nein, Mr. Winters, Sie haben damals mein Gesuch ab- gelehnt. Diesmal darf es keine Ablehnung geben. Sonst trete ich in den Ruhestand.
»Na schön, füllen Sie das Formular aus, dann unter- schreibe ich. Ich kann Ihnen aber nur neunzig Arbeitstage freigeben.«
»Abgemacht«, sagte ich und blies den blauen Rauch mei- ner teuren Zigarre von mir.
Die Pferderennen fanden jetzt etwa hundertfünfzig Kilo- meter weiter unten an der Küste statt. Ich zahlte weiterhin die Miete für meine Wohnung in der Stadt, setzte mich in meinen Wagen und fuhr hinunter. Ein- oder zweimal in der Woche fuhr ich zu meiner Wohnung zurück, schaute nach der Post, schlief auch gelegentlich mal über Nacht und fuhr dann wieder hinunter.
Es war ein gutes Leben, und ich fing an zu gewinnen. Nach dem letzten Rennen am Abend genehmigte ich mir ein, zwei gemütliche Drinks an der Bar und gab dabei dem Barkeeper ein großzügiges Trinkgeld. Es schien ein ganz neues Leben. Ich konnte nicht mehr fehlgehen.
Eines Abends schaute ich nicht mal mehr dem letzten Rennen zu. Ich ging in die Bar.
Normalerweise setzte ich $ 50 auf Sieg. Wenn man das eine Weile gemacht hat, ist es genauso, als setze man $ 5 oder $ 10 auf Sieg.
»Scotch mit
Weitere Kostenlose Bücher