Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung
ich die Leute am liebsten an, um mich mit ihnen zu treffen. Ich wusste aber, dass ich, wenn ich der Welt über mein Jahr ohne Geld berichten wollte, wahrscheinlich ein Telefon brauchen würde, wenigstens in den ersten Wochen. Ein Mobiltelefon ohne Geld zu unterhalten, war nicht einfach. Ich hatte ein Prepaid-Telefon – ohne Vertrag und Rechnungen – befürchtete aber, dass es gesperrt würde, wenn ich nicht alle drei Monate eine neue Karte erwarb. Freunde meinten, ich solle vorab ein hohes Guthaben auf die Karte laden, aber das hätte bedeutet, dass ich nicht ohne Geld gelebt hätte, und es hätte mit Sicherheit meine »Normalitätsregel« verletzt. Also lud ich kein Guthaben auf die Karte und hoffte auf das Beste. Dies bedeutete, dass ich nur Anrufe empfangen konnte, aber es war besser als gar nichts.
Auf dem Bauernhof gibt es ein Festnetztelefon, und die Betreiber gestatteten mir bereitwillig, eingehende Anrufe für Interviewanfragen anzunehmen (Radiosender mögen es wegen der schlechten Klangqualität nicht, wenn Interviewpartner mit dem Handy telefonieren). Da ich so viel arbeitete, erlaubten die Leute auf dem Bauernhof mir auch, einige Telefonate zu führen, aber ich fand, es sollte nicht Teil des Experiments sein, dass ich deren Geld ausgab. Auf dem Hof gab es auch WLAN -Anschlüsse, die die Bewohner bereits benutzten. Das bedeutete, dass ich meinen Verpflichtungen gegenüber der Freeconomy Community problemlos nachkommen konnte.
Alles Weitere
Mein Hauptziel im Vorfeld meines Jahres ohne Geld war, mir Methoden zu überlegen und vorzubereiten, wie ich an Unterkunft, Lebensmittel, Heizung, Strom, Transport- und Kommunikationsmittel herankam. Es gab viele andere alltägliche Lebensbereiche, über die ich hätte nachdenken können, und verschiedene Dinge, von denen ich vorher nicht wissen konnte, dass ich sie brauchen würde. Ich beschloss jedoch, mich um alles Weitere einfach dann zu kümmern, wenn Bedarf bestand. Man kann sich nur bis zu einem gewissen Grad vorbereiten, und ich entschied, auf den alten Spruch »Not macht erfinderisch« zu vertrauen.
Damit legte ich meine Liste weg, entspannte mich und beschloss, als Test für das folgende Jahr ab sofort meine Geldausgaben auf ein Minimum zu reduzieren. Ich dachte, es wäre klug, ein bisschen praktische Erfahrung zu sammeln, bevor ich mit dem begann, was sich als ziemlich öffentliches Experiment entpuppte.
4 Der Abend davor
Eine Woche vorher
Wenn man sich auf Veränderungen im Leben vorbereitet, die von großer Tragweite sind, wird einem oft erst wenige Wochen vorher bewusst, was das bedeutet. Dann fängt man an nachzudenken, wie sich die Veränderungen auf das eigene Leben tatsächlich auswirken werden, fragt sich, warum zum Teufel man beschlossen hat, sich in eine solche Lage zu bringen, und manchmal unweigerlich auch, ob man da wieder rauskommt.
Solche Gefühle hatte ich nur in Augenblicken totaler Erschöpfung. Ich beschloss, mein Jahr ohne Geld mit einem »Essen-umsonst-Freeconomy-Fest« in Bristol zu beginnen. Mein Ziel war es, ein kostenloses, komplettes Drei-Gänge-Menü ausschließlich aus Abfällen und gesammelten Lebensmitteln für so viele Leute wie möglich zu zaubern. Das Problem war, dass mich alle anderen Dinge, die ich im Vorfeld des Startdatums erledigen musste, ziemlich in Stress versetzten. Und da war ich nun und halste mir gleich zu Anfang eine Mammutaufgabe auf, was meinen ohnehin schon anstrengenden Tag noch schwieriger machte. Ich hielt es auch für eine gute Idee, mit meinem Leben ohne Geld eine Woche früher anzufangen, damit ich in den Genuss eines Testlaufs käme. Ich dachte mir nämlich, ich könnte mich dann vor meinem »letzten« Abend um die infrastrukturellen Voraussetzungen kümmern, die ich übersehen hatte.
Wie sich herausstellte, war das keine besonders gute Idee. Ich hatte in dieser Woche in der Stadt so viel zu tun, dass es unmöglich war, mit dem langsamen Leben auf dem Land zu beginnen. Ich brach meinen Testlauf nach nur zwei Tagen ab und hoffte, dass ich nichts Wesentliches übersehen hatte. Ich entschied, den Rest der Woche bei Claire in der Stadt zu bleiben, so dass ich etwas Zeit mit ihr unter normalen Bedingungen verbringen konnte. Das hielt ich für besonders wichtig, da wir erst seit einigen Wochen liiert waren. Einige Tage in der Stadt zu verbringen, war eine gute Idee. Dadurch gewann ich Zeit, war etwas weniger unter Druck und hatte die Chance, mich zu sammeln. Instinktiv spürte ich, dass die ungeheure
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