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Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L Harness
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auf dem sich ein Fäßchen Bier, mehrere hölzerne Schalen mit Brezeln, Bierkrüge, Servietten, Aschenbecher und anderer Krimskrams befanden, und gingen auf den Eßtisch zu, der dem Dieb am nächsten war. An dem Tisch standen gerade sechs Mann auf. Das fehlende elfte Gesicht gehörte möglicherweise dem Psychiater – der im gegenseitigen Einverständnis und mit gegenseitiger Billigung fehlte.
    Die Party war vorbei, registrierte er mit Unbehagen. Jetzt ging es um etwas anderes.
    „Dr. Talbot“, sagte der große, munter aussehende Mann mit der dröhnenden Stimme. „Ich bin Miles, der neu angekommene Stationschef für die Neun.“
    Alar nickte schweigend.
    „Und das ist mein Meteorologe Williams – MacDougall, der Lateraldüsenpilot, Florez, der Spektroskopist, Saint Claire, der Produktionsingenieur …“
    Der Dieb nahm die Vorstellungen bis hinab zum jungen Schreiber Martinez ernst, aber unbewegt zur Kenntnis. Seinen Augen entging nichts. Diese Männer waren alle alte Hasen. Irgendwann in der Vergangenheit hatten sie alle in einer Solarstation kalten Schweiß vergossen, die meisten von ihnen wahrscheinlich zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Stationen. Das gemeinsame Erlebnis hatte sie jedoch gezeichnet, sie miteinander verschweißt und aus dem Bannkreis ihrer erdgebundenen Brüder ausgestoßen.
    Die zwanzig Augen blieben auf sein Gesicht geheftet. Was erwarteten sie von ihm?
    Er faltete unauffällig die Hände und zählte den Pulsschlag. Er hatte sich bei einhundertsechzig eingependelt.
    Miles fuhr in seiner Ansprache fort: „Dr. Talbot, wir wissen, daß Sie zwanzig Tage lang bei uns bleiben werden.“
    Alar hätte beinahe gelächelt. Miles, ein höchst fähiger und unbewußt snobistischer Sonnianer mit langer Erfahrung, betrachtete jede Zeitspanne, die kürzer als eine volle und gefährliche Sechzig-Tage-Schicht war, voll tiefster Verachtung.
    „Ich habe um diese Gunst gebeten“, gab der Dieb ernst zurück. „Ich hoffe, Sie sind nicht zu dem Schluß gekommen, daß ich im Wege sein werde.“
    „Nicht im geringsten.“
    „Das Toynbee-Institut hat schon immer sehnlichst gewünscht, daß einem Fachhistoriker die Möglichkeit geboten würde, eine Monographie zu schreiben …“
    „Oh, es interessiert uns nicht, warum Sie kommen, Dr. Talbot. Und zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, ob Sie uns im Wege sein werden. Sie sehen aus, als hätten Sie Verstand genug, um sich fernzuhalten, wenn wir zu tun haben, und Sie sind Ihr Gewicht in Unitas wert, wenn Sie den Psychi so glücklich beschäftigt halten, daß er uns in Ruhe läßt. Sie spielen doch hoffentlich Schach? Der Psychiater, den wir haben, ist ein Eskimo.“
    Seines Wissens hatte er den Begriff „Eskimo“ nie in bezug auf einen Sonnianer gehört, und er wunderte sich, daß er seine Bedeutung verstand – sie schien ihm ungefragt einzufallen, als käme sie aus jener geistigen Kammer, die sein vorheriges Leben enthielt. Sein Entschluß, an Bord der Phobos zu gehen, war kein Irrtum gewesen. Für den Augenblick jedoch mußte er Unwissenheit vortäuschen.
    „Schach – Eskimo?“ murmelte er mit verwunderter Höflichkeit.
    Mehrere der Männer lächelten.
    „Gewiß, Eskimo“, dröhnte Miles ungeduldig. „War nie in einem Solarion. Hat noch den Schweiß, mit dem er geboren wurde. Kommt möglicherweise frisch von der Schule und beschäftigt den Geist mit Schachspielen, damit wir nicht ins Grübeln geraten.“ Er lachte plötzlich rauh. „Daher Grübeln wir auch nicht! Große, flammende Fackeln. Was glauben die, warum wir hierher zurückkehren?“
    Alar merkte, daß sich ihm das Haar im Nacken aufstellte und daß seine Achselhöhlen naß wurden. Und es war ihm klar, welch gemeinsame Brandzeichen diese verlorenen Seelen gebrandmarkt und zu einer absonderlichen Gemeinschaft zusammengeschweißt hatten.
    Wie der richtige Talbot in jener Ballnacht vermutet hatte, war jedes einzelne dieser Geschöpfe total verrückt!
    „Ich werde mich bemühen, den Psychi zu beschäftigen“, stimmte er mit glaubhaftem Zweifel zu. „Ich bin selbst einem Schachspielchen nicht abgeneigt.“
    „Schach!“ murmelte Florez, der Spektroskopist, mit leidenschaftsloser Endgültigkeit und wandte sich von Alar ab, um den Tisch anzustarren. Das völlige Fehlen von Bösartigkeit dämpfte die Bedeutung seiner Worte nicht.
    Miles lachte wieder und blickte Alar aus blutunterlaufenen Augen an. „Wir haben Sie jedoch nicht bloß deswegen hierher eingeladen, damit Sie uns den Psychi vom

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