Der Mann ohne Vergangenheit
als Sie, und sein Haar war kastanienbraun, während Ihres schwarz ist. Aber er ist jedenfalls tot, und so hat es wirklich keinen Sinn, es zu erwähnen …“
„Kennicot Muir?“
„Ja.“ Andrews schaute ihm ziemlich nachdenklich nach.
Immer wieder Muir! Wenn der Mann noch am Leben und aufzufinden war, welcher Inquisition würde er sich gegenübersehen! Alars Fußstapfen klangen hohl vor Enttäuschung, als er auf dem Steg über einen leeren, entgifteten Muirium-Lagerraum dahinschritt.
Muir mußte sich mit Sicherheit an Bord der T-22 befunden haben, als sie am Schlußpunkt ihrer unheimlichen Reise in die Zeit zurück abstürzte; das Logbuch war der Beweis dafür. Aber er, Alar, war aus dem Fluß herausgekrochen, das Buch in den Händen. Was war mit Muir geschehen? War er mit dem Schiff untergegangen? Alar kaute verzweifelt an seiner Unterlippe.
Es gab eine weit unmittelbarere Frage – was wollte die Ersatzmannschaft von ihm? Er begrüßte die Möglichkeit, mit den Leuten zusammenzutreffen, aber er wollte derjenige sein, der Fragen stellte.
Was, wenn jemand aus der Mannschaft den richtigen Dr. Talbot gekannt hatte? Und natürlich konnte auch jeder der elf ein verkleideter kaiserlicher Polizist sein, der nach ihm Ausschau hielt. Oder vielleicht wollten sie ihn aus allgemeinen Gründen nicht mit dabeihaben. Schließlich war er ein uneingeladener Außenseiter, der die Teamarbeit stören könnte, die für ihr Überleben in jeder Stunde notwendig war.
Oder möglicherweise hatten sie ihn auch nur auf ein bißchen Haschisch eingeladen, was seines Wissens vom Stationspsychiater sogar gern gesehen wurde, solange es nur vor dem Betreten der Station geschah, da es bei Neulingen die Spannung lockerte.
Als er vom Steg in den engen Gang einbog, hörte er vor sich Musik und Gelächter.
Er lächelte. Eine Party. Jetzt fiel ihm ein, daß die neue Schicht vorher immer eine Abschiedsparty veranstaltete. Diese Partys zeichneten sich vornehmlich durch traurige, endlose und nicht für den Druck geeignete Balladen – die sich meist damit befaßten, warum sie die Erde verlassen hatten, um dieses Dasein auf sich zu nehmen –, neue und unzensurierte Filme von Tänzerinnen, die hauptsächlich mit verschiedenfarbigem Licht bekleidet waren (ein persönliches Geschenk des Weltraumministers), Brezeln und Bier aus.
Nur Bier, da sie die Station stocknüchtern betreten mußten. Zwei Monate später würden sie, wenn ihr Glück anhielt, auf der Phobos eine weitere Party veranstalten, und die Besatzung der Phobos würde auch daran teilnehmen. Selbst der gesetzte, derbe Andrews würde mit ihnen auf die sichere Rückkehr anstoßen und ein paar Runden ausgeben.
Jetzt aber nicht. Die Feierlichkeiten für die Ankömmlinge waren rein privat – nur für Sonnianer. Keine Fremden wurden je eingeladen. Selbst ein ankommender Stationspsychiater war ausgeschlossen.
Was gab es also? Etwas stimmte da nicht.
Als er, bereit anzuklopfen, vor der Tür stand, zählte er unwillkürlich den Puls. Er klopfte bei hundertfünfzig und stieg weiter.
16
Eskimos und Sonnianer
Alar stand an der Tür, zählte das rapide Ansteigen seines Pulses und überlegte sich, was ihn auf der anderen Seite wohl erwarten mochte. Seine geballte Faust fiel instinktiv zum nichtvorhandenen Säbelgriff. Auf der Phobos waren Waffen verboten. Aber welche Gefahr konnte in einer sich selbst betrauernden guten Kameradschaft liegen? Wie, wenn sie rauhe Scherze machten und ihn am falschen Bart zogen? Während seines Zögerns erstarben Musik und Gelächter.
Dann schlingerte das Schiff heftig, und er wurde gegen die Tür geschleudert. Die Phobos hatte mit der Nase am Solarion 9 angedockt und wurde luftdicht mit der Eingangsluke verbunden. Ein wildes Gelächter, das aus der Messe herausdrang, übertönte seinen Sturz gegen die Tür.
Ob sie jetzt das Überleben der Station oder ihr eigenes unmittelbar bevorstehendes Anbordgehen feierten, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Die Hochrufe hatten etwas Spöttisches und Sardonisches an sich, die ihn das letztere vermuten ließen. Mochte die alte Schicht ihre eigene Feier veranstalten.
„Herein!“ dröhnte jemand.
Er stieß die Tür auf und ging hinein.
Zehn Gesichter blickten ihn erwartungsvoll an. Zwei der Jüngeren saßen beim Stereographen, aber der durchsichtige Würfel, der das Drei-D-Bild enthielt, war dunkel. Offensichtlich hatte man ihn gerade in diesem Augenblick abgeschaltet.
Zwei Männer kamen von einem Tisch zurück,
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